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Öffentlichkeit Titelpunkt 2  nach oben

   4. Zur Entstehung und Funktion der
       Öffentlichkeit

 a) Die Idee der bürgerlichen Öffentlichkeit

 Nach der bürgerlichen Idee ist die Öffentlichkeit der Ort, in dem „räsonierende Privatleute“ (Kant) Argumente austauschen, um zu bestimmen, was vernünftige Politik und das aus ihr folgende Gesetze ist. Vernunft ist nichts gottgegebenes, auch keine Naturkonstante, sie ist nicht eine bare Münze, die einfach eingestrichen werden kann, wie Lessing seinem Nathan sagen lässt, sondern bedarf des Pro und Contra, um sich allererst zu konstituieren. In dem historischen Moment, in dem sich die bürgerliche Gesellschaft von der feudalen Ständegesellschaft emanzipiert, wird die Öffentlichkeit zum Mittler zwischen der Staatsmaschine, welche die Rechtssicherheit zu garantieren hat, und der bürgerlichen Gesellschaft, die aus Privatleuten besteht, die im freien Austausch von Waren ihre Beziehungen selbstständig regeln, also nur den Gesetzen des Marktes unterworfen sind (vgl. Habermas, S. 148 ff.). Bezugspunkt dieser Öffentlichkeit räsonierender Privatleute ist das vernünftig bestimmbare Allgemeinwohl und ein unterstelltes allgemeines Interesse, das sich aus der sozialen Homogenität der Warenbesitzer ableitet.

 Stellt sich das jeweilige Allgemeinwohl als Resultat öffentlicher Überlegungen her, basiert es auf  den sich bildenden Mehrheiten, den volunté de tout, bestenfalls als Konsens aller Gruppen des Bürgertums, so sind die Regeln, nach denen gestritten und räsoniert wird, nach denen sich Mehrheiten bilden, Ausdruck der Vernunft, der volunté  générale, Bedingungen der Möglichkeit, dass sich überhaupt mittels einer Öffentlichkeit vernunftbegabter Menschen ein politischer Konsens bilden kann. Zu diesen Regeln, die bis heute in den kapitalistischen Demokratien Verfassungsrang haben und nicht in ihrem Wesen eingeschränkt werden dürfen, gehören das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit (einschließlich aller anderen Medien), die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit usw.  

b) Die Ambivalenz der bürgerlichen Öffentlichkeit  

Die Mehrheiten der Warenbesitzer kann sich auch nur deshalb als Träger der Vernunft begreifen, weil nach dem Klassenwahlrecht die wahre Mehrheit, das entstehende Proletariat oder allgemein die Lohnabhängigen, von der Mitbestimmung der öffentlichen Angelegenheiten zunächst rechtlich ausgeschlossen waren. Gelingt es den lohnabhängigen Massen, sich das Wahlrecht zu erkämpfen, gilt die Presse- und Versammlungsfreiheit auch für sie, dann tritt ein fundamentaler Wandel in der Funktion der bürgerlichen Öffentlichkeit ein. Neben ihrer Rolle als Vermittler von bürgerlicher Gesellschaft (Privatleute als Warenbesitzer) und der Staatsmacht (als Garant der notwendigen Rechtssicherheit für die Marktbeziehungen) tritt die Funktion, das sich emanzipieren wollende Proletariat mit manipulativen Mitteln systemkonform niederzuhalten.

  Club der Denker

Eine Karikatur gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit im Vormärz:  Der "Denker-Klub" kann nur schweigend denken und er denkt darüber nach, wie lange das schweigende Denken noch erlaubt sein wird. Damit keiner laut denk, tragen sie alle Maulkörbe. (Vor 1848)

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 Ist es das objektive Interesse der Lohnabhängigen, die kapitalistische Produktionsweise abzuschaffen, weil sie immer die Verlierer dieser Art Ökonomie sind, und ist es historisch auf Grund der entwickelten Produktivkräfte möglich, eine sozialisierte Wirtschaftsweise zu begründen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und Wohlstand für alle garantiert, dann ist die Vernunft nicht mehr auf der Seite des Bürgertums. Dieses muss seine sinnlose Akkumulation von Kapital, die Produktion um der Produktion willen, verschleiern und das rebellische Proletariat mit Sinnsurrogaten abspeisen.

 „Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d.h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht. Die Klasse, die die Mittel zur materiellen Produktion zu ihrer Verfügung hat, disponiert damit zugleich über die Mittel zur geistigen Produktion, so daß ihr damit zugleich im Durchschnitt die Gedanken derer, denen die Mittel zur geistigen Produktion abgehen, unterworfen sind.“ (Marx/Engels, S. 46)

 Kein Journalist in den bürgerlichen Medien oder der Kultur- und Bewusstseinsindustrie kann es heute wagen – bei Strafe seines Arbeitsplatzverlustes – die Eigentumsverhältnisse oder die kapitalistische Marktwirtschaft prinzipiell in Frage zu stellen. Durch die hohe Kapitalintensivität etwa von Film- und Fernsehindustrie haben Lohnabhängige kaum eine Chance, ihre systemkritische Meinung in diesen Medien Ausdruck zu verleihen. Die bürgerliche Öffentlichkeit, die einst der avancierten Vernunft ihrer Zeit Ausdruck verlieh, verwandelt sich zum Manipulationszusammenhang der Massenbeeinflussung.

 c)  Wandel der bürgerlichen Öffentlichkeit

 Die immanenten Gesetze der Kapitalproduktion führen zu einer Konzentration und Zentralisation des Kapitals. Aus den vielen Warenbesitzern, die sich auf dem Markt gegenüber stehen, werden Aktienbesitzer, mittleres Bürgertum, das vom Großkapital über Aufträge abhängt, oder sie depravieren zu Lohnabhängigen. Das hat Folgen für die Öffentlichkeit. Aus den räsonierenden Privatleuten wird ein konsumierendes Publikum. Die Machtkontrolle durch die Öffentlichkeit findet nun zwischen Journalisten und den Politikern statt. Durch die Vergrößerung der Kapitale wird dieses anonym, so dass das Privatinteresse der Kapitaleigner als Sachinteresse „unserer“ Wirtschaft erscheint. Die Gesetze dieser Ökonomie können sich ungebremst durchsetzen, auch in der Öffentlichkeit. Der Verkauf von Nachrichten und die Diskussion von Meinungen, für die das Publikum als Ware bezahlt, schlägt auch auf den Inhalt der Nachricht und die Meinung durch: Die Unterhaltungsfunktion, Persönlichkeitsdarstellung und Sensation verdrängt die politisch relevante Information (heute in extremer Weise in der Bildzeitung beobachtbar). Marx hat deshab schon im 19. Jahrhundert gefordert, dass die erste Freiheit der Presse sein muss, kein Gewerbe zu sein. Schon bei Hegel wird die Öffentlichkeit nicht mehr als Prinzip der Aufklärung und als Sphäre der sich verwirklichenden Vernunft gedacht, sondern „dient bloß der Integration des subjektiven Meinens in die Objektivität, die sich der Geist in Gestalt des Staates gegeben hat“ (Habermas, S. 199).

 Mit dem Aufkommen der Arbeiterbewegung und der Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts verändert sich auch die Funktion der Presse: Sie diskutiert nicht nur die bürgerliche Politik und kontrolliert die jeweilige Fraktion des Bürgertums, die an der Macht ist, sondern wird wesentlich zum Manipulationsinstrument der herrschenden Klasse (ein Beispiel siehe 6.). Bereits im 19. Jahrhundert konnte die bürgerliche Gesellschaft die Fiktion des liberalen Rechtsstaates und der Autonomie der Privatmenschen nicht aufrechterhalten. Wenn der bloß rechtlich abgesicherte Kapitalismus seiner eigenen Tendenz nach zu Großgebilden führt und die Masse der Lohnabhängigen periodisch im Elend versinkt und Hunger leidet, warum sollten sie sich dies trotz aller Manipulation der öffentlichen Meinung gefallen lassen. Die staatlichen Maßnahmen gegen Kinderarbeit, die Einführung der Kranken- und Rentenversicherung waren erste Schritte, die zu dem führten, was heute Sozialstaat heißt. Er stellt einen Klassenkompromiss dar, der auch der eigentumslosen Klasse eine begrenzte Teilhabe an den öffentlichen Angelegenheiten erlaubt, zumindest das Überleben sichert. Zugleich ging die Autonomie der Besitzenden daran zu Grunde, dass sie ihr Eigentum verloren oder nur noch als Anteilsrecht besaßen. Sie wurden mit den Lohnabhängigen zusammen zum mediatisierten Publikum, dieses konnte seine Interessen  kaum noch individuell, sondern nur über seine Verbände (wie z.B. die Gewerkschaften und Unternehmerbverbände) zum Ausdruck bringen. Diese versuchen in nichtöffentlicher Einflussnahme Politik mitzubestimmen und stellen die Resultate ihres Einflusse bestenfalls zur Akklamation der mediatisierten Anhänger.

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   5. Organisierter Kapitalismus und
       die Rolle der Medien heute

 Die gegenwärtige Öffentlichkeit ist ein Zerfallsprodukt der ursprünglich anvisierten Öffentlichkeit, als das Bürgertum noch emanzipativen Tendenzen folgte. Sie ist gekennzeichnet durch die manipulative Einwirkung auf das politisch passive Publikum, aber auch durch das Fortbestehen kritischer Öffentlichkeit bzw. der Möglichkeit dazu gemäß den liberalen Freiheitsrechten, die im Grundgesetz festgeschrieben sind. Der junge Habermas schreibt dazu: „Die politische Öffentlichkeit des Sozialstaates ist durch zwei konkurrierende Tendenzen geprägt. Als Zerfallsgestalt bürgerlicher Öffentlichkeit gibt sie einer, von Organisationen über die Köpfe des mediatisierten Publikums entfalteten, demonstrativen und manipulativen Publizität Raum. Andererseits hält der Sozialstaat, soweit er die Kontinuität mit dem liberalen Rechtsstaat wahrt, am Gebot einer politisch fungierenden Öffentlichkeit fest, demzufolge das von Organisationen mediatisierte Publikum, durch diese selbst hindurch, einen kritischen Prozeß öffentlicher Kommunikation in Gang setzen soll. In der Verfassungswirklichkeit des Sozialstaates liegt diese Gestalt der kritischen Publizistik mit jener zu manipulativen Zwecken bloß veranstalteten in Streit; das Maß, in dem sie sich durchsetzt, bezeichnet den Grad der Demokratisierung einer sozialstaatlich verfaßten Industriegesellschaft – nämlich Rationalisierung des Vollzugs sozialer und politischer Gewalt.“ (Habermas, S. 337 f.)

 Demnach wären die gegenwärtigen Angriffe auf die Pressefreiheit Akte der Entdemokratisierung der Gesellschaft hin zu einem oligarchischen Staat, dem die Sicherheitseliten ohne große Rücksicht auf die im Grundgesetz verbrieften Freiheitsrechte dienen. Die Tendenz ginge weg von einer „Rationalisierung des Vollzugs sozialer und politischer Gewalt“. Entsprechend dieser Argumentationslinie kritisieren auch die meisten Medienvertreter die beschriebenen Angriffe auf Journalisten. Dr. Thomas Leif, der Vorsitzende des „Netzwerks Recherche“ behauptet: „Die Hemmschwelle von Polizei und Justiz sinkt.“ Er sagt über die Angriffe gegen Journalisten: „Es geht nicht in erste Linie um die konkrete Verfolgung von Straftaten. Ziel ist vielmehr die Erschließung des Informanten- und Kontaktnetzes von Journalisten. Und zwar derjenigen, die unliebsame oder kritische Informationen in die Öffentlichkeit transportieren, die der Polizei oder der Justiz peinlich sind. Es soll die Infrastruktur getroffen werden, also das journalistische Herz des jeweiligen Autors.“ (Interview mit der Jungen Welt, www.jungewelt.de vom 15.9.05)

 Der „Spiegel“ argumentiert ähnlich (siehe oben). Und Bodo Hombach, ein ehemaliger Kabinettskollege von Schily, der jetzt dem WAZ-Verlag vorsteht, argumentiert auch in diese Richtung: „’Ernsthafte Sorgen’ macht sich Hombach schon lange um Schröders rechten Ausputzer: ‚Es wird versucht, die Wächterrolle der Medien schleichend umzudefinieren’, kritische Kollegen würden zunehmend ‚als Skandalisierer kritisiert’. Das Ziel sei offenbar, ‚Parteiinteressen mit dem Gemeinwohl gleichzusetzen und Medien als sensationsheischende Störer zu brandmarken’.“ (www.spiegel.de vom 1.10.05)  Doch diese Kritik, so notwendig sie ist, die Grundrechte zu verteidigen, greift zu kurz. Die angeführten bürgerlichen Medien und ihre Vertreter sind nämlich selbst Teil des Problems, indem sie hauptsächlich zu der manipulativen Publizistik in dieser Republik gehören. Wenn gilt, dass es die erste Freiheit der Presse sein muss kein Gewerbe zu sein, dann stellen diese Publikationsorgane per se eine falsche Weltauffassung dar, sie sind auf Grund ihrer ökonomischen Bedingungen ideologische Institutionen, welche die Herrschaft des Kapitals verteidigen und die Masse ihres Publikums an diese Herrschaftsverhältnisse emotional binden, wie es vordem keiner Herrschaft gelungen ist. Man denke nur an die Selbstgleichschaltung der bürgerlichen Medien während des völkerrechtswidrigen Krieges gegen Jugoslawien oder an die unisono propagierte neoliberale Strategie gegenwärtig. (Vgl. auch www.weblog.erinnyen.de „Modernes Zeitungslesen v. 11.9.05)

 Nach wie vor gilt der Hegelsche Satz: „Das Prinzip der modernen Welt fordert, daß, was jeder anerkennen soll, sich ihm als ein Berechtigtes zeige.“ (Zitiert nach Habermas, S. 195 f.) Dieses „Berechtigte“ erscheint in den bürgerlichen Medien als ideologische Manipulation. Die völlige Kontrolle der öffentlichen Meinung in manipulativer Absicht, also die Abschaffung der Öffentlichkeit mit ihrer Meinungs- und Pressefreiheit kann von den Herrschenden gegenwärtig auch nicht erwünscht sein, wollen sie nicht die Gleichgültigkeit, Lethargie, die völlige Abwendung in Private und damit die Stagnation des individuellen Engagements provozieren, wie sie für die DDR und die SU vor 1989 typisch waren oder das wirtschaftliche Leben in der Pinochet-Diktatur in Chile usw. lähmten. Selbst die Aufdeckung von Skandalen ist im Interesse des Gesamtkapitals, denn wenn sich ein Konzern Sondervorteile verschafft, dann schädigt er andere Kapitalsegmente, wenn Politiker korrupt sind, dann ist die Konkurrenz um das beste Führungspersonal in Gefahr, die wirkungsvollsten Propagandisten neoliberaler Politik würden sich durch Falschmeldungen schädigen – und damit ihren explizierten oder stillschweigenden Auftrag. Doch dieser allgemeine Auftrag des Journalismus wird nun zumindest eingeschränkt, vor allem wenn er den Sicherheitsapparat selbst betrifft.

 Der kritische Journalismus bürgerlicher Medien, wo er noch vorhanden ist, bleibt aber nur innerhalb der ökonomischen Herrschaft des Kapitals und der ihr entsprechenden politischen Macht eine „Rationalisierung der politischen Gewalt“. Der junge Habermas, als er noch der kritischen Theorie nahe stand, widerspricht sich in seinem Buch über „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ in affirmierender Absicht selbst, wenn er 60 Seiten vorher lapidar und richtig feststellt: „Kritische Publizität wird durch manipulative verdrängt.“ (S. 270)  Dabei geht es ihm hier nicht nur um den Zerfall der bürgerlichen Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert, sondern er bezieht sich direkt auf die BRD. „Publizität wird gleichsam von oben entfaltet, um bestimmten Positionen eine Aura von good will zu verschaffen. Ursprünglich garantierte Publizität den Zusammenhang des öffentlichen Räsonnements sowohl mit der legislativen Begründung  der Herrschaft als auch mit der kritischen Aufsicht über deren Ausübung. Inzwischen ermöglicht sie die eigentümliche Ambivalenz einer Herrschaft über die Herrschaft der nichtöffentlichen Meinung: sie dient der Manipulation des Publikums im gleichen Maße wie der Legitimation vor ihm.“ (Habermas, S. 270) Dies ist an dem heute vorherrschenden Mainstream zu zeigen.

Der gefesselte Prometheus. Allegorie auf das Verbot der "Rheinischen Zeitung", 1843 als Flugblatt verbreitet. Hier kämpft das Bürgertum, Karl Marx war zeitweise Redakteur des Blattes, noch um die Pressefreiheit gegen die adlige Regierung.

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   6. Neoliberale Manipulation

 Neben der allgemeinen ideologischen Grundausstattung, die den bürgerlichen Journalisten eigen ist, gibt es auch direkte journalistische Kampagnen, um eine bestimmte Politik zu lancieren. Dies geht in der Demokratie nicht durch eine Reichsschrifttumskammer, sondern wird mit Geldmitteln initialisiert. Nachdem es der Kohlregierung nicht gelungen war, größeren neoliberalen Sozialabbau zu betreiben, weil ihre Sozialfraktion (Norbert Blüm) zu stark war und ihre Wähler solchen Reformen skeptisch gegenüber standen, wurde eine gigantische Medienkampagne durch die Industrieverbände eingeleitet, die bis heute anhält und teilweise unter den Journalisten zum Selbstläufer geworden ist. Diese gehen nach dem Trend, um ihre Auflagen verkaufen zu können. Hat der Trend eine gewisse Stärke erreicht, kann es kein Journalist mehr wagen, nicht auf ihn aufzuspringen. Albrecht Müller schreibt darüber:

 „Was wir heute als Mainstream der Meinung wahrnehmen: die Glaubenssätze, unser Land sei krank, unser Problem sei der Reformstau und seine Lösung seien Strukturreformen, wurde meiner Meinung nach in großen Teilen strategisch ausgedacht und mit Hilfe von Öffentlichkeitsarbeit und viel Geld umgesetzt. Zu den geplanten und deshalb immer wiederkehrenden Elementen dieser Strategie gehören die Behauptungen, wir hätten ein demographisches Problem, der Generationenvertrag gelte nicht mehr, die nachwachsende Generation sei benachteiligt, die Globalisierung sei eine völlig neue Herausforderung, alles sei neu, Wachstum sei nicht mehr möglich und so weiter.“ (Müller, S. 64)

 Nach einem Sternbericht (vom 18.12.03) ist einer der Initiatoren dieser Kampagne Martin Kannegießer, der 1999 Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall war. Er stellte fest, dass zwischen dem, was die Bevölkerung will, und dem, was die Führungskräfte in der Wirtschaft für notwendig hielten, eine große Lücke klaffe. Der Stern schreibt darüber: „Kannegießer entschied sich (...) die Leute ein bisschen umzuerziehen. ‚Aufklären’ nennt er das. Ihnen mit schlauen Parolen die Notwendigkeit von radikalen Reformen einhämmern, sie mit Plakaten, Anzeigen und TV-Spots überschütten, auf das die Leute die Wünsche der Wirtschaft als ihre eigenen begreifen.“ (Zitiert nach Müller, S. 65) Weiter wurde die „Neue Initiative Soziale Marktwirtschaft“ gegründet. Zu dieser Initiative gehören laut Stern der Unternehmensberater Roland Berger, der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Hans-Olaf Henkel und der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog. Dazu schreibt der Stern: „Es ist eine außerparlamentarische Opposition von oben. Angeführt von alten Männern (...) Die Old Boys wollen die Köpfe und Herzen der Bevölkerung verändern und sie zu Wirtschaftsreformen überreden. Dabei ist die Agenda 2010 für sie erst der Anfang eines viel weiter gehenden Abbaus sozialer Leistungen wie Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe. Ihr Einfluss geht mittlerweile so weit, dass von Sabine Christiansen bis Maybrit Illner keine Talkshow mehr ohne sie auskommt. Die Finanziers der Propaganda bleiben dabei gern im Hintergrund.“ (Zitiert nach Müller, S. 66)

 Diese Initiative ist aber nur eine unter anderen. Albrecht Müller schreibt dazu: „Den Profis war klar: Wenn man eine neoliberale Ideologie nach Art der Reformpolitik unter die Leute bringen will, wenn man Intellektuelle beeindrucken will, dann muss man es schaffen, Wissenschaftler, Medien und Politiker einzuspannen, die als eher links oder progressiv gelten. Es gilt das alte Prinzip der Kommunikation, dass eine ausgesandte Botschaft um so glaubwürdiger ist, je unterschiedlicher die Absender sind. (...) Es ist erstaunlich, wie sehr sich auch Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler den neoliberalen Thesen geöffnet haben, die man als kritische und unabhängige Köpfe eingestuft hätte; zum Beispiel der Wirtschaftsweise und Darmstädter Volkswirtschaftsprofessor Bert Rürup“. (Müller, S. 375)

 Vor ein paar Tagen haben die sogenannten  „Fünf Weisen“ (der Name ist eine Anleihe aus der Philosophie, um ihre Mischpoke damit die Aura der Tiefe zu verleihen) ihr Wirtschaftsgutachten abgegeben. Darin wird als Konjunkturhemmnis die mangelnde Konsumnachfrage beklagt, zugleich aber die weitere Senkung der Lohnkosten und Staatsausgaben gefordert. Solche offensichtlichen Widersprüche, die weder etwas mit Weisheit noch mit Wissenschaft zu tun haben, sind nur erklärbar aus ihrer Abhängigkeit von den Interessen der Industrie. Sie sind Teil der neoliberalen Kampagne, sie machen Propaganda in wissenschaftlicher Form, Zahlenjongleure mit dem Hang zum pythagoräischen Mystizismus. Ziel dieser ganzen Kampagne ist es, nicht nur die Menschen an das Wirtschaftssystem zu binden, sondern ihnen eine sie schadende Politik als notwendige aufzuschwatzen. Propaganda allein wirkt aber nicht ausreichend. Wenn die Menschen ihren Lebensstandard senken müssen, dann prallt schon mal diese konzertierte  jahrelange Propagandakampagne an ihnen ab. Sie wählen z.B. nicht die Leute, die sie wählen sollen.

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Letzte Aktualisierung:  02.09.2010

                                                                       
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