Artikel drucken Erinnyen Aktuell    21.01.2007
 

Zurück zum Lesetext

Von Erinnyen Aktuell  veröffentlicht im Januar 2007

Essay            

Bodo Gaßmann

Gefühl und Vernunft

Resultate der Reflexion eines Verhältnisses

 

          Inhalt

Materialistische Philosophie ist das Denken der Lust

Das Recht der Vernunft und ihrer Moral

Kritik der philosophischen Anthropologie

Psychologie als Ersatzphilosophie?

Der Mythos vom Aggressionstrieb

Die Triebstruktur des heutigen Menschen

Kulturindustrie und die Manipulation von Vernunft und Gefühl

Vorherrschende Triebstruktur und romantische Liebe

Die Triebstruktur der Befreiung

   

Materialistische Philosophie ist das Denken der Lust

 Es gibt nichts schöneres als unsere Gefühle. Höchste körperliche Lust liegt im Höhepunkt des Liebesaktes: dem Orgasmus. Die Entdeckung einer neuen wissenschaftlichen Einsicht, vielleicht nach jahrelanger Forschung, erzeugt eine tiefe durch den Geist bewirkte auch sinnliche Befriedigung. Für Aristoteles war das Philosophieren die höchste Glückseligkeit, die auch mit sinnlicher Lust verbunden war (Ethik, S. 29 ff., 70 f.). Von der geistigen Lust bis zur Lust eines vor Vergnügen quietschenden und strampelnden Säuglings, der sich „sauwohl“ fühlt, hat das Gefühl der Lust immer mehr oder weniger Anteil am Glück der Menschen, den höchsten Zustand, zu dem sie fähig sind, weshalb sie das Glück immer auch als etwas Göttliches angesehen oder ihre Lust in einen Gott, also ein Idealwesen, verkörpert haben. Erst das Christentum hat die Götterwelt entsinnlicht und die Lust zu etwas Bösem gemacht.

 Mit der Aufklärung und der Befreiung von kirchlichem Dogmatismus und von der Unterdrückung der Sinnlichkeit, die dazu diente die Menschen zu beherrschen, begründete die bürgerliche Philosophie, besonderes der sensualistische Materialismus eine Philosophie der Lust. Die Darstellung von „obszönen Ausschweifungen der Wollust“, um die Lust insgesamt zu verteufeln, wird als „eine Verhöhnung der Natur“ angesehen. La Mettrie beschwört die Lust in seiner Schrift mit dem programmatischen Titel „Die Kunst, Wollust zu empfinden“, wobei er unter Wollust bereits eine kultivierte Art der Lust versteht – im Gegensatz zur rohen Befriedigung der Triebe: „Oh, ihr reinen, ihr edlen Herolde der Wollust, ihr, bei denen die Götter der Liebe in ewiger Schuld stehen, macht, daß die Wollust auch mich beflügelt!“ Für ihn ist sie wie selbstverständlich eine natürliche Eigenschaft des Menschen, die es auszukosten gilt, wenn man nicht um einen wesentlichen Teil seines Menschseins betrogen werden will. „Ja, ihr Glückskinder der Natur und der Liebe, die ihr von jener Gottheit selbst eigens dafür geschaffen wurdet, um einen ihrer würdigen Zweck, will sagen: dem Glück der Menschheit, zu dienen: ihr allein könnt mich inspirieren. Euer Genie gebe mir Kraft und Schwung, erleuchte mich durch die Liebe und öffne mir so das Allerheiligste der Natur! Neuer (aber glücklicherer) Prometheus, laß mich dort das heilige Feuer der Wollust entnehmen, auf daß es in meinem Herzen, als Tempel der Wollust, niemals erlösche! Möge doch endlich Epikur, so wie er im Herzen jedes Menschen lebt, allhier erscheinen! Oh Natur, oh Liebe, könnte ich doch nur die köstlichen Empfindungen, mit denen mich eure Wohltaten erfüllen, in meinen Lobpreisungen eurer Reize treulich zum Ausdruck bringen!“ (La Mettrie: Wollust, S. 19) Das einzige, was der Mensch zum Glücklichsein brauche, sei ein gesunder Körper und ein vorurteilsloser Geist.

 „Der Wollüstige liebt das Leben, weil er einen gesunden Körper und einen freien Geist ohne Vorurteile hat. Er liebt die Natur und bewundert ihre Schönheit, weil er ihren Wert kennt. Gefeit gegen den Überdruß am Leben, versteht er nicht, wie dieses tödliche Gift in die Herzen der Menschen dringen kann. Erhaben über die Launen des Schicksals, ist er selbst sein eigenes Schicksal. Erhaben über den Ehrgeiz, hat er selbst nur den einen: glücklich zu sein. Erhaben über die Fährnisse des Lebens, ist er, als epikureischer Philosoph, frei von Furcht vor Unheil und Tod. Der Baum verliert sein Laub, er aber bewahrt seine Liebe zum Leben. Der Strom erstarrt in der Kälte des Winters, er aber schürt die Gluten des Sommers.“ (A.a.O., S. 80 f.)

 Für eine solche Lobpreisung der Lust kann die Vernunft, die in La Mettries physikalischem Materialismus nur Reflexion als Wahrnehmung der Wahrnehmung sein kann, als traditionell metaphysische aber lange genug mit der Unterdrückung der Lust faktisch verschmolzen war, keine Rolle mehr spielen. Mit den vorherrschenden Produkten der Vernunft in der Gesellschaft, einer Vernunft, die bisher immer eine irrationaler Herrschaft war, verwirft La Mettrie die Vernunft überhaupt. „Oh Freude, du Gebieterin über die Menschen und Götter, vor der alles, sogar die Vernunft, null und nichtig wird, du allein weißt, wie sehr mein Herz dich verehrt, welche Opfer es dir gebracht.“ (A.a.O., S. 17) 

 Vernunft könne lediglich dazu dienen, der Wollust zu ihrem Recht zu verhelfen. „Mögest du, lebendige Göttin, dich der Vernunft nur bedienen, auf daß die Menschen diese vergessen können; auf daß sie mit ihrer Hilfe ihre Freude vermehren und bewußt bejahen; auf daß die kalte Philosophie still schweige und mich anhöre! Ich spüre die Ankunft einer achtbaren Wollust.“ (A.a.O., S. 16 f.)  In dieser Abwertung steckt zunächst einmal die richtige Einsicht, dass das Streben nach Glück und Lust keiner weiteren Rechtfertigung bedarf. Wenn heute vom Sinn des Lebens geredet wird, dann wird gerade dieser Aspekt übersehen. Für eine materialistische Philosophie gibt es keine „Suche nach dem Sinn des Lebens“, das Ziel glücklich zu sein, das immer auch heißt, körperliche Lust zu empfinden, und das damit individuelle Züge trägt, bedarf keiner metaphysischen Begründung aus einem göttlichen oder menschlichen Wesen, „sondern geht aus der Existenz einer nicht weiter zu legitimierenden, sondern nur historisch zu erklärenden Sehnsucht nach Glück und Freiheit für die Menschheit hervor.“ (Horkheimer: Anthropologie, S. 9f.) 

 

Das Recht der Vernunft und ihrer Moral

 In der Reduktion der Vernunft auf instrumentelle Funktionen, als Dienerin der Lust, trifft sich La Mettrie mit bürgerlichen Denkern wie Hobbes oder Bentham und den ganzen Utilitarismus. In der Abwertung der zwecksetzenden Vernunft geht La Mettrie aber einen Schritt weiter, wenn er sie angesichts der „natürlichen“ Lust für „null und nichtig“ erklärt. Auch wenn La Mettrie kaum gesellschaftliche Verhältnisse in seiner Philosophie theoretisch durchdrungen hat, so korrespondiert diese Reduktion doch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass die Zwecke der bürgerlichen Welt durch einen entfremdeten Mechanismus vorgegeben sind, die menschliche Vernunft nur die denkerischen Mittel bereit stellen kann, sich diesen entfremdeten Zweck geschickt anzupassen. Für das menschliche Glück scheint bei La Mettrie noch nicht einmal ihre instrumentelle Funktion wichtig zu sein. Doch die Verherrlichung der sinnlichen Lust muss sich eingestehen, dass diese Lust ganz ohne Vernunft anscheinend doch nicht auskommt. Sie bedarf der Vernunft, um die Lust zu steigern, sie regrediert zum Autismus, wenn sie ausgeschaltet wird, und vor allem eine losgelassene Lust ohne das Korrektiv der Vernunft tendiert zur Selbstvernichtung – vor allem wenn man die gesellschaftlichen Verhältnisse ausblendet, ist man deren Mechanismen hilflos ausgeliefert.

 So kann ein Liebesakt nicht ständig in orgastischen Gefühlen verharren. Es ist „schade, daß die Momente intensiven Glücks – Liebesrausch, Liebestaumel oder wie immer man sie nennen mag – nicht länger andauern und das ihnen ergebene Herz so schnell wieder verlassen.“ „Doch so intensiv auch die Freuden sind, die den Menschen außer sich geraten lassen, so sind sie doch nur Freuden. Erst mit dem herrlichen Zustand, der auf sie folgt, kann die befriedete Seele alle Wohltaten der Wollust in vollen Zügen auskosten.“  (La Mettrie: Wollust, a.a.O., S. 48 f.) Es ist eine höhere Art der Lust, mit dem Anderen zu harmonieren – das aber geht nicht ohne Überlegungen. Wenn man nur vom „ungestümen Drang“ der Leidenschaft beherrscht wird, erzeugt dies bei der Geliebten Abwehrkräfte. La Mettrie gibt deshalb den Frauen den vernunftgeleiteten Ratsschlag: „Ihr Schönen, beurteilt eure Liebhaber nach ihrem Charakter! Er sei das Gewicht auf der Waage eures Herzens. Wenn sie eure Gunst erzwingen wollen; wenn sie euch, ohne Rücksicht auf eure nur zu berechtigte Besorgnis, den unangenehmen Folgen einer leichtsinnigen Leidenschaft aussetzen wollen; dann könnt ihr sicher sein, daß sie es nicht ehrlich meinen; daß es nur ungestümer Drang ist, der sie treibt; daß nicht ihr selbst es seid, was sie an euch am meisten lieben.“ (A.a.O., S. 56)  Gefühle, sollen sie ihre gesamten Möglichkeiten realisieren, bedürfen der Reflexion durch die Vernunft, die in La Mettries materialistischen Philosophie allerdings auch nur eine Art physischer Sinn ist. 

 Die Bedeutung der Vernunft zeigt sich entgegen der Ansicht von La Mettrie auch an der Lust, die auf unserer Fantasie beruht. Da die Gefühle des Menschen immer auch mit seiner „Imaginationskraft“ und entsprechenden inhaltlichen Vorstellungen zusammenhängen, kann der Mensch zwar nicht ohne den Anderen überhaupt, aber ohne seine unmittelbare Gegenwart Wollust genießen, für La Mettrie sogar genauso wie mit dem Anderen. „So genießt der Wollüstige seine Vorstellungen: er erweckt sie, vertreibt die einen und pflegt die anderen, je nach Belieben. Ich weiß zwar nicht, wie die Imagination ihre Farben mischt und woher all die bezaubernden Illusionen kommen, aber das Bild der Freude, das sie erzeugt, ist so schön wie die Freude selbst.“ (A.a.O., S. 57)  Das Zentrum dieser Wollust ist dann die Seele, das Gemüt, das die Sinne  als Fenster zur Welt und das diskursive Denken scheinbar gar nicht mehr braucht. Der Sinn zur Imagination „ist gekennzeichnet durch seine sanfte, aber unwiderstehliche Macht. Er untersagt das Reden, das Schauen, das Hören und das Denken, um der intensivsten der Empfindungen Raum zu schaffen. Er läßt von der Seele und ihren Sinnen nichts mehr übrig, hebt die normalen Funktionen unseres Organismus auf, bemächtigt sich sozusagen des ganzen Menschen und übergibt ihn jenen höchsten Freuden, jener fruchtbaren Stille der Natur, die ein Sterblicher nur bei Strafe des Todes stört. Seine ewige Macht ist, kurz gesagt, so gewaltig, daß die Vernunft, diese hochmütige Göttin, ihm untertan ist. Sie ist, wie all die anderen Sinne, als glückliche Sklavin seinen Freuden stets zu Diensten.“ (A.a.O., S. 60)  Hatte La Mettrie am Anfang die sinnliche Lust mit der Geliebten als das höchste Glück propagiert, so führt ihn die Konsequenz unreflektierter Lust, d.h. einer Lust ohne vernünftige Leitung, zur Negation der sinnlichen Lust und in die autistische Isolation von der Wirklichkeit und den anderen Menschen, die doch Voraussetzung der Wollust sein sollten. Er wird zur fensterlosen Monade. (Vgl. Mensching: Autonomie, S. 194 ff.)

Vernunft ist für La Mettrie selbst nur eine Art Sinn und damit etwas Physisches. Als Physisches enthält sie aber kein Kriterium, um der ebenfalls physischen Lust moralische Schranken zu setzen. Dem Ausleben der Triebe kann die physisch bestimmte Vernunft nichts entgegensetzen. Wenn La Mettrie allen Menschen zugesteht, ihre Triebansprüche zu verwirklichen, dann besteht ständig die Gefahr, vor allem unter bürgerlichen Verhältnissen, dass konkurrierende Triebansprüche in Konflikt geraten. „Subjektive Reflexion der zunächst blind egoistischen Triebe erscheint daher als einzige Möglichkeit, den Widerstreit der Ansprüche zu schlichten. Die Menschen, die als Triebwesen selber Natur sind, können nur durch reflektierende Entäußerung moralisch handelnde Subjekte werden, die Natur in sich zivilisieren. La Mettrie selbst hat die geforderte Leistung auf den Begriff gebracht: 'raffinement de l'amour-propre'. Daraus ergibt sich die zentrale Frage, nach welchen objektiven Kriterien die postulierte Reflexion des Egoismus sich vollziehen soll.“ (Mensching: Autonomie, S. 202 f.)  Wirklich erfüllen kann die Vernunft ihre Rolle als Regulator des physischen Trieblebens nur, wenn sie selbst nicht als physisch bestimmt ist, sondern als geistige gegenüber der Physis eine gewisse Autonomie erlangt. Dieser Gedanke mündet letztlich in Kants praktischen Imperativ.

 Die Lust ohne Leitung durch die Vernunft tendiert zur Unersättlichkeit – was La Mettrie positiv bewertet, um sie von der kirchlichen oder bürgerlichen Moral zu befreien. Steigert man aber die Lust ins Unersättliche und zur „wahrhaftigen Ekstase“, dann schlägt sie in Gewalt gegen andere oder den Träger der Gefühle selbst um. Das Umschlagen von Lust in Gewalt macht er am Tyrannen deutlich: „Alsdann, grausamer Fürst! Wenn du infam genug bist: Koste die Tyrannis richtig aus! Genieße sie in vollen Zügen! Denn die leidige Natur wird dich daran nicht hindern. Herostratos wählte, um sich unsterblich zu machen, das Feuer; so wähle du das Blut! Verfeinere die Techniken der Folter, so wie ein rechter Lebemann die des Vergnügens! Und finde daran, sofern dies möglich ist, die gleiche Freude! Böses zu tun ist für dich das einzige Gut, und Gutes zu tun wäre dir eine Qual. Ich werde dir deinen abscheulichen Zwang nicht nehmen (könnte ich es überhaupt?), der die Quelle deines unseligen Glücks ist. Bären, Löwen und Tiger lieben es, andere Tiere zu zerfleischen; da du blutgierig bist wie sie, ist es nur recht und billig, daß du den gleichen Neigungen nachgibst. Dennoch bedaure ich dich, daß du dich so am allgemeinen Elend weidest; doch wer würde nicht erst recht einen Staat bedauern, in dem sich nicht ein Mann fände, der tugendhaft genug ist, um ihn – und sei es auf Kosten seines Lebens – von einem Ungeheuer wie dir zu befreien?“ (La Mettrie: Antiseneca, S. 111 f.) 

 Was bei La Mettrie zwar nicht von dem Standpunkt der Lust her kritisiert wird, aber gegen die Moral verstoßend und durch den Angst erzeugenden Hinweis auf einen möglichen Tyrannenmörder relativiert wird, erscheint in den Romanen des Marquis de Sades scheinbar als gerechtfertigt. Seine Titelheldin und Ich-Erzählerin Juliette prostituiert sich dem Papst und philosophiert mit ihm über das unbegrenzte Ausleben der Gefühle, das ohne irgendwelche Skrupel zu geschehen habe. Nachdem sie mit dem Papst, sie nennt ihn „Braschi“, eine Orgie gefeiert hat, in der „alle ausgesuchten Arten der Ausschweifung“ vorkommen, reflektiert sie mit ihm über die Lust am Morden:

    „'Oh, Braschi', rief ich in einem Augenblick der Nüchternheit, 'was würden die Menschen, denen du imponierst, sagen, wenn sie dich inmitten dieser Schändlichkeiten sehen würden?'

   'Sie würden mir die Verachtung entgegenbringen, die ich für sie empfinde', antwortete Braschi, 'und trotz ihres Hochmuts würden sie ihre Torheit einsehen. Was soll's, fahren wir fort, ihnen etwas vorzugaukeln. Die Herrschaft des Irrtums wird nicht lange dauern, man muß sie begießen.'

   'Ja, ja,' rief ich, 'betrügen wir die Menschen, das ist einer der größten Dienste, die wir ihnen leisten können... Braschi, werden wir, wenn wir in den Tempel gehen, ein paar Menschen opfern?“

   'Gewiß', sagte der Heilige Vater zu mir: 'Blut muß fließen, wenn die Orgien gut sein sollen. Da ich auf dem Thron des Tiberius sitze, ahme ich ihn in meinen Wollüstigkeiten nach. Und als den, dessen Seufzer sich mit den jammernden Gesängen des Todes vermischen.'

   'Gibst du dich öfter diesen Ausschweifungen hin?'

   'Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich mich nicht in sie hineinstürze; oh, Juliette! Es gibt keinen Tag, an dem ich mich nicht mit Blut besudele.' (de Sade: Juliette, S. 180 f.)

 Dass gerade der Papst, der als höchste moralische Autorität gilt, den mörderischen Libertin hergeben muss, ist gewiss mit den aufklärerischen Intentionen von de Sade zu erklären. Indem aber aus der skrupellosen Ich-Perspektive von Juliette erzählt wird, übernimmt der Leser lange Zeit diese Perspektive, erkennt die Funktion der herrschenden Moral, nämlich bloßes Herrschaftsmittel zu sein, und in dieser Episode wie bei La Mettrie als bloßes Ornament der Lust zu fungieren. Die eigentliche Absicht enthüllt sich erst, nach ermüdender Aufzählung von Orgien und Morden, am Schluss des Romans: Juliette, die nur noch Lust empfindet, wenn sie ihre Mordgier immer mehr steigert, ist am Ende völlig vereinsamt, nachdem sie auch noch ihre harmlose und gute Schwester opfert, indem sie diese in ein Gewitter hinaus schickt, um zu sehen, ob der Gott, falls es ihn gibt, die Moralische verschont – ihre Schwester wird vom Blitz erschlagen.  

Aus den Zitaten von Marquis de Sade lässt sich ablesen, dass Gefühle etwas mit der Gesellschaft und ihren Herrschaftsverhältnissen zu tun haben. Der Marquis wehrt sich gegen die Herrschaft seiner Zeit, die ihn eingesperrt hat, indem er ihre Obszönitäten zynisch offen legt. Verstöße gegen die vorherrschende Moral werden in seinen Orgien als zusätzlicher Lustgewinn dargestellt nach dem Motto: Mit der Wonne einer Nonne. Darin zeigt sich die Widersprüchlichkeit der Moral unter herrschaftlich verfassten Gesellschaften. Moral ist hier eine ideelle Existenzbedingung der Herrschaft und zugleich ein Herrschaftsmittel, denn ohne moralische Verankerung der Herrschaft im Bewusstsein würde die Mehrheit gegen die Eigentümer der Produktionsmittel aufbegehren, letztes Auskunftsmittel bliebe nur das unproduktive Schwert. Dies ist der Grund, warum der Papst und Juliette als Mitglieder der herrschenden Klasse Moral nach außen heucheln müssen und ihre sadistische Triebbefriedigung nur im Boudoir pflegen können.

Moral hat aber auch vernünftige Gründe auf ihrer Seite, die jede Art Herrschaft überschreiten. Sie enthält das Versprechen, die menschlichen Beziehungen vernünftig zu regeln und die Triebbefriedigung ohne Schädigung anderer zu organisieren. Im kantischen Imperativ, die Menschen niemals bloß als Mittel, sondern immer auch als Zweck an sich selbst zu behandeln, liegt der moralische Grund, der es verbietet, andere zu bloßen Objekten meiner Triebbefriedigung zu machen, wie die Opfer in de Sades Fantasien. Das Privileg, andere zu Opfern zu machen, und sei es als auszubeutende Lohnabhängige, und die Gestalt vernünftiger Moral bei Kant, sind in der bürgerlichen Gesellschaft unentwirrbar miteinander verquickt. Die kapitalistische Gesellschaft enthält ständig das Versprechen von Gleichheit und Freiheit und verhindert durch ihre Struktur, insbesondere die Eigentumsverhältnisse, die Erfüllung dieses Versprechens. Inwieweit Moral von Herrschaftsverhältnissen getrennt und dann wie selbstverständlich gelebt werden kann, ist ein Frage, die am Schluss dieses Essays erörtert wird.  

Die moralische Notwendigkeit, dass die Vernunft die Gefühle leiten muss, sollen diese das Individuum und seine Gesellschaft nicht zerstören, darf aber nicht ins Gegenteil umschlagen, indem die Gefühle verteufelt werden und die Vernunft zur moralischen Selbstüberhebung wird – bis hin zur Forderung, alle fleischlichen Forderungen soweit wie möglich zu verdrängen und asketisch zu leben. Selbst bei Kant spukt sein christlich-pietistischer Hintergrund bis in seine Auffassung vom Menschen hinein, wenn er dem intelligiblen Charakter des Menschen (die Vernunft bestimmten Handlungen) das Gute zuordnet, den sensiblen Charakter (der Bestimmung der Handlungen durch das Leibliche) mit dem „Bösen“ verbindet.  

„(...) ein mit praktischem Vernunftvermögen und Bewußtsein der Freiheit seiner Willkür ausgestattetes Wesen (eine Person) sieht sich in diesem Bewußtsein, selbst mitten in der dunkelsten Vorstellung, unter einem Pflichtgesetze und im Gefühl (welches dann das moralische heißt), daß ihm, oder durch ihn anderen recht und unrecht geschehe. Dieses ist nun schon selbst der intelligible Charakter der Menschheit überhaupt und in so fern ist der Mensch seiner angebornen Anlage nach (von Natur) gut. Da aber doch auch die Erfahrung zeigt: daß in ihm ein Hang zur tätigen Begehrung des Unerlaubten, ob er gleich weiß, daß es unerlaubt sei, d.i. zum Bösen sei, der sich so unausbleiblich und so früh regt, als der Mensch nur von seiner Freiheit Gebrauch zu machen anhebt, und darum als angeboren betrachtet werden kann: so ist der Mensch, seinem sensiblen Charakter nach, auch als (von Natur) böse zu beurteilen, ohne daß sich dieses widerspricht, wenn vom Charakter der Gattung die Rede ist; weil man annehmen kann, daß dieser ihre Naturbestimmung im kontinuierlichen Fortschreiten zum Besseren bestehe.“ (Kant: Hinsicht, S. B 318)  

Dagegen kann man einwenden, dass die Erfahrung ebenso zeigt, dass die Vernunft in Selbstüberschätzung, „Schwärmerei“ (Kant), Tollheit des Religiösen, als bloßer Formalismus oder in ihrer Reduktion auf instrumentelle usw. von ihrem avancierten Stand abweichen kann und zum „Schlechten“ verleitet. Danach wäre das „Böse“ (nach Kant säkularisiert als Hang zum Unerlaubten) ebenso oft, wenn nicht öfter in der Geschichte durch die „Höllengeburten“ (Goya) der Vernunft verursacht. In Bezug auf die Vernunft kommt alles Schlechte von ihr durch ihre Unbegründetheit, durch ihre unwahre Form, durch sie, insofern sie nicht durch die Folter der Reflexion gegangen ist und sich nicht einer gründlichen Kritik der reinen Vernunft unterzogen hat. Bedenkt man noch das Provisorium der menschlichen Vernunft, ihr nur allmähliches Fortschreiten im Bewusstsein der Freiheit, vor allem insoweit es das Denken des Ganzen, die Philosophie, betrifft, dann ist eine pauschale Abwertung der Gefühle höchst unangebracht. Daran ändert auch nichts die notwendige Leitungsfunktion der Vernunft, denn Gefühle sind nicht selbstreflexiv.

Jeder Triebimpuls bedarf, um in seiner Konsequenz zur Handlung zu werden, des Willens, der diesen Impuls umsetzt. Der freie Wille als geistiges Vermögen kann aber immer die Handlung zulassen oder ablehnen oder überhaupt erst einmal die Richtung der Handlung festlegen. Selbst wenn er dem inneren Drang durch das Leibliche nachgibt, ist das seine Entscheidung, nicht die des Dranges, der grundsätzlich als blind anzusehen ist. Es kommt also nicht nur auf die Triebe an, sondern wesentlich auf die Beschaffenheit des Verstandes und der Vernunft (und selbstverständlich die Kraft des Willens), ob, wie und in welcher Weise ein Trieb sich als Handlung entäußert. Eine Vernunft, die unsere Triebe prinzipiell als böse ansieht und sie unterdrückt, ist dann ebenso falsch wie eine, die allen Triebimpulsen unreflektiert folgt. Faktisch wird bereits in der Kindheit dieses Verhältnis mit mehr oder weniger Rigidität eingeübt, sonst könnte das Zusammenleben überhaupt nicht funktionieren. Schlägt die Sozialisation fehl, dann entstehen die Probleme, die dann Gerichte und Psychologen beschäftigen.

Bei der Untersuchung der Gesellschaft und ihres Einflusses auf die Individuen und ihr Gefühlsleben bleiben diese zunächst abstrakten Überlegungen ein Moment dieses komplexen Verhältnisses von Gefühl und Vernunft.

 Auch La Mettrie, der von der Gesellschaft mehr oder weniger abstrahiert und sie als gegeben unterstellt, ist in seinen Ratschlägen, die Gefühle auszuleben und zugleich zu kultivieren, von dieser Gesellschaft abhängig. Er gehört einem Stand an, der es sich leisten kann, ohne zu arbeiten, seine Lust auszuleben. Zugleich weiß La Mettrie aber auch, dass dies nicht allen Mitgliedern der Gesellschaft wegen ihres Standes möglich ist, obwohl seiner Forderung nach „die Glückseligkeit der ganzen Menschheit“ zukommen sollte. Die Mehrheit gehört als Bauern, Manufakturarbeiter und Tagelöhner dem 3. Stand an, in dem nur das Bürgertum  die Mittel zum Glück besitzt, während die meisten dieses Standes froh sein können, wenn sie nicht hungern müssen. Und selbst die Vermögenden sind durch ihre Charaktereigenschaften, die sie im ökonomischen und politischen Konkurrenzkampf benötigen, unfähig zum Glück.

 „Das so weit verbreitete Bedürfnis nach Vergnügungen aller Art beweist zur Genüge, daß im allgemeinen die Menschen an sich bzw. organisch eher unglücklich sind als glücklich. Besonders Menschen, deren Talente sehr beschränkt sind, stellen, vor Habsucht, Ehrgeiz, Eitelkeit und Neid zerfressen, unbeschränkte Ansprüche. Ich bedauere dies der Natur wegen; denn es würde ihr meines Erachtens mehr Ehre machen, wenn es anderes wäre. Mehr noch bedauere ich es meiner Brüder, der Menschen wegen; denn es schmerzt mich zu sehen, daß die große Mehrzahl von ihnen gar nicht fähig ist, Glück zu erleben, es sei denn ausnahmsweise einmal und zu einem hohen Preis. Diejenigen, die mit geringen Mitteln glücklich sind, stechen unter den Menschen hervor wie der Fixstern unter den Planeten, wie eine Rose unter Disteln oder wie ein strahlender Diamant unter Glitzersternen. Sie sind rar, daß man sie zählen könnte, während die Zahl derer, in deren Leben die Summe der Übel die Summe der Güter weit übertrifft, unsäglich groß ist. Eine traurige Wahrheit!“ (La Mettrie: Antiseneca, S. 140)

 Der Grund für diesen Zustand liegt in der entfremdeten Arbeit. In der sich durchsetzenden bürgerlichen Welt ist Arbeit für die große Mehrheit Lohnarbeit. Das kann auch die Gefühlswelt nicht unberührt lassen. Arbeit und Lohn für die Arbeit fallen auseinander. Der Zweck der Arbeit wird mir vorgegeben, er ist durch den Kapitalmechanismus bestimmt. Während ich 8, 10, 12, 14 oder mehr Stunden arbeite, muss ich meine Triebe und emotionalen Bedürfnisse unterdrücken, während ich meinen Lohn verbrauche und die daraus folgenden bescheidenen Freuden genießen kann, arbeite ich nicht. Die Triebunterdrückung und den Triebaufschub, die mir das Realitätsprinzip, das die Anforderungen der Lohnarbeit in mir repräsentiert, aufherrscht, ist die Bedingung meines „Kampfes ums Dasein“, d.h. meiner abhängigen Beschäftigung zur Sicherung meines Lebensunterhalts.

 Das Realitätsprinzip widerspricht – in freudschen Begriffen – dem Lustprinzip, dem Bedürfnis, unmittelbar meine Triebe auszuleben. Ich muss meine Triebregungen unterdrücken, im gewitzigteren Fall „sublimieren“, d.h. die Triebenergien in eine geistige Arbeit ablenken (vgl. Fromm: Therapie, S. 380). Triebunterdrückung oder Sublimierung der Triebe aber sind repressiv, sie deformieren mich. Wenn nun ein wesentlicher Teil meines Lebens in Triebunterdrückung und Triebaufschub besteht, dann hat das Auswirkungen auf meine Gefühlsstruktur, sie wird reduziert, im schlimmsten Fall stumpfe ich ab.

 Wenn nun die Gesellschaft entscheidend für die Gefühle der Individuen in ihr ist, dann kann man nicht mehr nur anthropologisch argumentieren, wie La Mettrie es macht, sondern muss die sozialen Bedingungen, die in unser Leben und unser Gefühlsleben eingreifen, reflektieren. Voraussetzung dafür ist aber zunächst einmal eine radikale Kritik der philosophischen Anthropologie. Wie die Kritik der weltlichen Verhältnisse eine Kritik der Religion voraussetzt, die den ordo rerum immer schon als Emanation des Göttlichen festschriebt und legitimiert, so muss auch das statische „Menschenbild“ der Anthropologie kritisiert werden, einer Anthropologie, die nach der Kritik der Religion deren Rollen in der Frühneuzeit übernommen hatte.

 

Kritik der philosophischen Anthropologie

 Gegenposition zu einer Historizität des Gefühlslebens ist die These von einem einheitlichen überhistorischen Menschenwesen, die im 20. Jahrhundert Scheler wieder aufgegriffen hat. Danach gibt es ein menschliches Wesen, das den Kern darstellt, der durch historische Gegebenheiten nur unwesentlich modifiziert wird. Historizität der Gefühlsstruktur und überhistorisches Menschenwesen schließen sich kontradiktorisch aus. Die Widerlegung eines apriorischen menschlichen Wesens wäre eine Begründung seiner Historizität. Nun hat bereits Hegel erkannt, dass jedes Jahrhundert seine eigene Bestimmung des Menschen hat. So ist der Mensch nach Hobbes gewalttätig, misstrauisch und ruhmsüchtig, sein theoretischer Nachfolger John Locke bestimmt ihn eine Epoche darauf als ursprünglich gut und friedlich. Hobbes hatte die historische Erfahrung des Bürgerkrieges in England als Hintergrund, der ihn nach einem absoluten Monarchen rufen lässt; Locke hatte den sich durchsetzenden Parlamentarismus mit eigentumsmäßig begrenzter Volkssouveränität vor sich, den er rechtfertigt. Beide schließen vom Menschen im Naturzustand auf das politische System, das sie für richtig halten. Tatsächlich aber projizieren sie ihre Erfahrung mit dem Menschen ihrer Zeit in einen fiktiven Naturzustand hinein, um damit wieder ihr politisches System zu begründen, das sie anstreben und legitimieren wollen. Das aber ist ein klassischer Zirkelschluss, heute „naturalistischer Fehlschluss“ genannt. Das menschliche Wesen, das apriori sein soll, wird aposteriori gewonnen (Hegel: Naturrecht, S. 445). Was von dem Menschen als allgemeine Bestimmung übrig bleibt, zieht man das historisch Entstandene ab, sind wenig aussagende „anthropologische Konstanten“, wie z.B. dass der Mensch einen Kopf hat mit einem relativ zu den nächsten Verwandten im Tierreich großen Gehirn, dass der Mensch zu großen Gefühlen fähig ist, diese aber auch abstumpfen lassen kann usw. Über das, was er seinen Wesen nach ist, sagen diese allgemeinen Bestimmungen fast nichts aus. Selbst die berühmte Definition von Aristoteles, der Mensch sei ein vernunftbegabtes Lebewesen, kann uns nicht sagen, was denn der Inhalt seiner Vernunft ist. (Kant hat deshalb vorgeschlagen, zu bestimmen, was der Mensch zukünftig im moralischen Sinne sein soll. (Vgl. Kant: Anthropologie, S. 440, und auch den letzten Abschnitt.))

 Wenn aber ein einheitliches Menschenwesen in der Geschichte nicht rational aufweisbar ist, dann kann immer nur etwas über das Typische des Menschen einer Epoche oder einer bestimmten Region ausgesagt werden. Noch Freud, wenn er den unreglementierten Gefühlen die Tendenz zuspricht, „polymorph pervers“ zu sein, unterstellt ein naturgegebenes Wesen des Menschen, denn “pervers“ heißt unnatürlich. Richtig in meinem Sinne wäre der Ausdruck „polymorph variabel“ - was dann erlaubt und was nicht erlaubt ist, wären Bestimmungen historischer Gesellschaften bzw. der Vernunft auf einem historischen Stand. Der Grund, warum die statische Anthropologie trotz ihrer Widerlegung so beliebt war und ist, hat schon Horkheimer erkannt. „Die moderne philosophische Anthropologie entspringt demselben Bedürfnis, das die idealistische Philosophie der bürgerlichen Epoche von Anfang an zu befriedigen sucht: Nach dem Zusammenbruch der mittelalterlichen Ordnungen, vor allem der Tradition als unbedingter Autorität, neue absolute Prinzipien aufzustellen, aus denen das Handeln seine Rechtfertigung gewinnen soll. Diese Anwendung des Denkens, begriffliche Zusammenhänge zu entwerfen und aus ihnen das ganze menschliche Leben sinnvoll zu begründen, die geistige Anstrengung, das Schicksal jedes Einzelnen und der ganzen Menschheit in Einklang mit einer ewigen Bestimmung zu bringen, gehört zu den wichtigsten Bestrebungen der idealistischen Philosophie. Sie wird vor allem durch den widerspruchsvollen Umstand bedingt, dass in der neueren Zeit die geistige und personale Unabhängigkeit des Menschen verkündet wird, ohne dass doch die Voraussetzungen der Autonomie, die durch Vernunft geleitete solidarische Arbeit der Gesellschaft, verwirklicht wäre. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen tritt einerseits die Produktion und Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens, das „Wertgesetz“, nicht als Motor der menschlichen Arbeit und der Weise, in der sie sich vollzieht, hervor. Der ökonomische Mechanismus wirkt sich blind und deshalb als beherrschende Naturmacht aus. Die Notwendigkeit der Formen, in denen die Gesellschaft sich erneuert und entwickelt und die ganz Existenz der Individuen sich abspielt, bleibt im Dunkeln. Andererseits haben diese Individuen es gelernt, für die gesellschaftlichen Lebensformen, die sie durch ihr tägliches Handeln aufrecht erhalten und gegebenenfalls beschützen, also für die Verteilung der Funktionen bei der Arbeit, für die Art der hergestellten Güter, für die Eigentumsverhältnisse, Rechtsformen, die Beziehungen der Staaten usw. Gründe zu fordern. Sie wollen wissen, warum sie so und nicht anderes handeln sollen, und verlangen eine Richtschnur. Die Philosophie sucht dieser Ratlosigkeit durch metaphysische Sinngebung zu steuern. Anstatt dem Anspruch der Individuen nach einem Sinn des Handelns durch Aufdeckung der gesellschaftlichen Widersprüche und durch Hinweis auf ihre praktische Überwindung zu genügen, verklärt sie die Gegenwart, indem sie die Möglichkeit des 'echten' Lebens oder gar des 'echten Todes zum Thema wählt und dem Dasein tiefere Bedeutung zu geben unternimmt.“ (Horkheimer: Anthropologie, S. 3 f.)

 Die Historizität gilt für das Gefühlsleben und die Triebstruktur genauso wie für die Vernunft, die nicht wie eine bare Münze eingesteckt werden kann, sondern sich durch Argumente und Gegenargumente erst herausbildet. Allerdings enthält die Vernunft im Gegensatz zu den Gefühlen auch ein absolutes Moment, etwa als Logik, und sie kann einen avancierten Stand erreichen, der nicht durch die Verarbeitung aktueller Erfahrungen allein entsteht, sondern die Geschichte der Philosophie und Vernunft seit ihrer Entdeckung im antiken Griechenland und anderswo enthält, also quasi die Reflexion der ganzen Erfahrung, welche die Weltgeschichte hervorgebracht hat. Teilweise gilt letzteres auch für die Triebstruktur, insofern sie ein historisches Produkt ist, also Geschichte enthält – man denke etwa an den romantischen Liebesbegriff, der im Minnesang erfunden, im „Sturm und Drang“ wieder gegen die Konvention propagiert  wurde und sich in der Romantik endgültig als allgemeiner Wunsch in der Vorstellungswelt der jungen Menschen durchgesetzt hat.

 Der gerade angewendete Begriff von Vernunft ist hier eine bloße Behauptung und an anderer Stelle begründet (etwa in Hegels „Phänomenologie“ - dazu neuerdings Bensch: Perspektiven des Bewußtseins. Hegels Anfang der Phänomenologie des Geistes). Enthält der avancierte Stand der Vernunft „die ganze Arbeit der Weltgeschichte“ (Hegel), dann kann die Vernunft nicht nur die Dienerin des Gefühlslebens und der Wollust sein wie bei La Mettrie. Sie muss auch ein Bestimmungsgrund der menschlichen Glückseligkeit werden und der sinnlichen Lust ihren Bereich abstecken, in dem sie sich ausleben kann, soweit das Gefühlsleben allgemeine Bestimmungen der Moral benötigt. Und Vernunft muss die historischen Bedingungen reflektieren, die unsere Triebstruktur bestimmen und damit unsere Glücksmöglichkeiten.

 Die Wissenschaft nun, die sich der Pflege des Gefühlslebens mit ihren Ratschlägen widmen sollte, ist die Psychologie. Doch auch diese ist ständig in Gefahr, ins Ideologische abzugleiten.

   

Psychologie als Ersatzphilosophie?

 Psychologie ist eine wissenschaftliche Disziplin, deren Gegenstand „die Formen und Gesetzmäßigkeiten des Erlebens und Verhaltens“ von Menschen und Menschengruppen sind (Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bde. 2001). Nach Kant ist die Psychologie eine empirische Wissenschaft, die untersucht, wie wir wirklich denken (und fühlen) – im Gegensatz etwa zur Logik, die bestimmt, wie wir denken sollen, damit Wahrheiten als Resultat des Denkens entstehen. An dieser Unterscheidung orientiert sich auch noch Sigmund Freud, wenn seine Psychoanalyse als eine besondere Art der Psychologie dazu dienen soll, „Unstimmigkeiten zwischen dem Denken und dem Handeln der Menschen und der Vielstimmigkeit ihrer Wunschregungen“ zu untersuchen und bei krankhaften Verhalten eine Heilung zu bewirken (Freud: Unbehagen, S. 65).

 Auf jeden Fall sind die Gefühle des Menschen Gegenstand dieser Wissenschaft. Als solche aber ist sie Vernunft und nicht Gefühl. Heißt das Wort 'psyche' Seele und 'logos' Rede, Wort, Vernunft, Wissenschaft, in dieser Kombination also Wissenschaft mit dem Gegenstand „Seele“, dann ist die Psychologie eine Wissenschaft, die von dem menschlichen Vermögen des Verstandes und der Vernunft betrieben wird bzw. aus diesem Vermögen als objektivierter Verstand und objektivierte Vernunft existiert. Auf die Schwierigkeiten, die eine solche Wissenschaft bereitet, kann ich hier nicht eingehen. Auf jedem Fall sind ihre Resultate kein sicheres Wissen, wie es etwa die Naturwissenschaften hervorbringen können, sondern sie kann nur „zur Erkenntnis bloß zufälliger Gesetze führen“, d.h. solcher Gesetze, „wie es ist unter den mancherlei subjektiven Hindernissen und Bedingungen“ (Kant: Logik, S. 435). Der Psychologe kann immer nur aus „physiologischen Anzeichen“ (und sei dies der Schall der Worte) auf das zugrunde liegende Gefühl oder Triebgeschehen schließen. Das macht diese Wissenschaft so ungenau.

 Freud macht diese mangelnde Exaktheit am Beispiel des religiösen Gefühls, das ein ozeanisches ihm beschrieben wurde, deutlich. „ich selbst kann dies 'ozeanische' Gefühl nicht in mir entdecken. Es ist nicht bequem, Gefühle wissenschaftlich zu bearbeiten. Man kann versuchen, ihre physiologischen Anzeichen zu beschreiben. Wo dies nicht angeht – ich fürchte, auch das ozeanische Gefühl wird sich einer solchen Charakteristik entziehen -, bleibt doch nichts übrig, als sich an den Vorstellungsinhalt zu halten, der sich assoziativ am ehesten zum Gefühl gesellt. Habe ich meinen Freund richtig verstanden, so meint er dasselbe, was ein origineller und ziemlich absonderlicher Dichter seinem Helden als Trost vor dem freigewählten Tod mitgibt: 'Aus dieser Welt können wir nicht fallen'. Also ein Gefühl der unauflösbaren Verbundenheit, der Zusammengehörigkeit mit dem Ganzen der Außenwelt. Ich möchte sagen, für mich hat dies eher den Charakter einer intellektuellen Einsicht, gewiß nicht ohne begleitenden Gefühlston, wie er aber auch bei anderen Denkakten von ähnlicher Tragweite nicht fehlen wird. An meiner Person könnte ich mich von der primären Natur eines solchen Gefühls nicht überzeugen. Darum darf ich aber sein tatsächliches Vorkommen bei anderen nicht bestreiten. Es fragt sich nur, ob es richtig gedeutet wird und ob es als 'fons et origo' aller religiösen Bedürfnisse anerkannt werden soll.“ (Freud: Unbehagen, S. 66)

 Die Psychologen müssen, wenn sie sich wissenschaftlich mit Gefühlen befassen, Schlüsse ziehen, aus physischen Anzeichen auf den psychischen Ablauf in der Seele schließen. Die Betätigung des Schlussvermögens ist die Betätigung ihrer Vernunft.  Psychologie hat zwar die Psyche mit den Gefühlen zum Gegenstand, auch das Schließen ist ein psychischer Vorgang, aber als Wissenschaft ist die Psychologie ohne Gefühl. Ohne darauf zu achten, was im Wissenschaftler, der sie weiterbringt, oder dem Studenten der Psychologie, der sie lernt, vorgeht, kommt es nur auf ihre objektivierten Resultate an. Als Wissenschaft beruht die Psychologie auf der Logik und den Gesetzen der Vernunft, ohne die sie noch nicht einmal den empirische Gang nehmen könnte, den sie heute hat oder einmal erreichten kann. Es ist deshalb eine Anmaßung von beschränkten Fachidioten, wenn sie ihre Psychologie – in welcher Spielart auch immer – zur Grundlagenwissenschaft aufspreizen, alles nur noch psychologisch deuten und aus dem Menschen eine Marionette seiner Gefühle oder seiner Anlage oder seiner Gene oder seiner Gehirnströme machen. Da ein Grund für die Deutung des Gefühlslebens der  freie Wille ist, wird dieser zum Lieblingsfeind einiger Psychologen. Denn wenn dieser eine Illusion ist, dann wären wir determiniert und die Psychologie nähme den Gang einer Wissenschaft mit einem notwendigen Gegenstand.

 Jeder Schluss, den diese Negatoren des freien Willens ziehen, ist eine kreative Leistung, die den freien Willen immer schon voraussetzt. Der Schluss benötigt als kategorischer Vernunftschluss wie als induktiv-empirischer Schluss einen Mittelbegriff, der nicht einfach vorhanden ist, sondern der Spontaneität des Wissenschaftlers sich verdankt, auch wenn diese Spontaneität im gültigen Resultat erloschen, nicht mehr sichtbar ist. Ohne freien Willen aber wäre die menschliche Spontaneität nicht von der tierischen zu unterscheiden. Frei ist ein Wille dann, wenn er neu ohne äußere oder innere Bestimmungsgründe eine Idee (Mittelbegriff) in die Tat (Schlussfolgerung) umsetzt. Selbst der Student, der diesen Schluss dann „nur“ nachvollzieht, muss seinen freien Willen einsetzen, wenn er ihn nur verstehen will, denn auch dies ist ein Akt des freien Willens. (Das Gegenteil wäre ein Hören von Worten, ohne ihre Bedeutung zu verstehen und ohne die Konsequenz im Schluss einzusehen.)

 Was bedeuten diese Überlegungen für das Verhältnis von Gefühl und Vernunft? Mit La Mettrie und de Sade habe ich versucht zu zeigen, dass ohne das Korrektiv der Vernunft das Gefühl selbstzerstörerisch wirkt. Es bedarf der Kultivierung und Zivilisierung nach den Maßstäben der Vernunft. Auch die Wissenschaft, die unsere Gefühle zum Gegenstand hat, basiert, richtig verstanden, auf der Vernunft. Die Resultate dieser Wissenschaft haben aber – wie oben gezeigt – eine gewisse Unsicherheit. Diese ist aber im Grund kein großer Verlust für die menschliche Erkenntnis, denn die Spontaneität, die Willkür, das Fantastische unserer Gefühle, die exakte Erkenntnis von ihnen verhindert, ist immer auch die Hauptquelle der Lust, letztlich der Lust am Leben. Man stelle sich vor, unser Gefühlsleben funktionierte nach apodiktischen Gesetzen. Jeder Winkeldespot könnte dann mit seinen Psychologen als „Ingenieuren der Seele“ die Menschen bis ins intimste Seelenleben beherrschen. (Wie weit das schon heute geht – weiter unten.) Es ist dies immer wieder versucht worden, am meisten Erfolg darin hat wohl die gegenwärtige Bewusstseinsindustrie, die nach Horkheimer und Adorno zu einem System zusammen geschossen ist, das jedem etwas bringt und in dieser Vielfalt doch nur die eine Botschaft hat: die Affirmation des Bestehenden. (Siehe unten)

 Das Entscheidende aber, das man aus der Reflexion der Psychologie als Wissenschaft ziehen kann, ist die Einsicht: Alle psychischen Lebensregeln, alle psychischen Tricks, alle geregelten Selbstmanipulationen haben bloß den Rang von Kochrezepten. Wer sie – falls sie begründet sind – nicht beachtet, dessen Essen wird meist unschmackhaft – sprich: sein Gefühlsleben versauert. Wenn es dennoch mal klappt, dann wäre dies völlig zufällig. Wer sich aber daran hält, kann auch nicht mit Notwendigkeit eine Verbesserung seines Gefühlslebens erwarten, es wird nur ein wenig wahrscheinlicher. Das gilt auch für die in diesem Essay angedeuteten Vorschläge. Die Vielfalt des Lebens, die Weite der Individualität – an sich eigentlich etwas Angenehmes - wird heute durch gesellschaftliche Bedingungen beeinflusst, die diese Vielfalt trotz äußerlicher Buntheit einschränkt und deformiert.

 Da es aber heute eine Fülle von Lebensratschlägen gibt, Psychologie boomt, ist es angebracht zu zeigen, wie mit dieser Wissenschaft getrickst wird und Ideologien bedient werden. Schon früher habe ich in einem Essay die Hirnforschung in ihren Überhebungen kritisiert. (Vgl. den Essay über den freien Willen) Eine andere Übersteigerung über die Grenzen der Wissenschaftlichkeit hinaus ist die These vom Aggressionstrieb, die noch Freud in die Welt gesetzt hat, die aber zugleich auch zeigt, wie weit wir bereits in unserem Charakter von den brutalen sozialen Verhältnissen geprägt sind. Selbst die seriöse Psychologie, die sich der Heilung von psychisch Kranken nach anerkannten Standards verschrieben hat, geht von einer bestehenden Vernunft aus, an die sie den Kranken und psychisch Labilen anpassen will. In diesem Sinn ist Psychologie affirmativ und ihre Methoden repressiv. Sie versucht das Individuum an die herrschende Ordnung anzupassen. Ihre Vernunft ist die der Herrschaftsordnung, also eine begrenzte. Sie will nicht das Gefühlsleben befreien – das würde unter den gegebenen Verhältnissen zu einer Regression der Gefühle, letztlich in de Sadesche Zustände führen -, sondern an das anpassen, was Freud das Realitätsprinzip nennt. Da die Herrschaftsordnung aber widersprüchlich ist, ist auch die Anpassung an diese in der Psyche eine Verinnerlichung der Widersprüche. Die bestehende Psychologie will also die Krankheit heilen, indem sie den Patienten dazu drängt, die Ursachen der Krankheit zu akzeptieren. Ein Modell dafür ist der Umgang mit den menschlichen Aggressionen.  

 

Der Mythos vom Aggressionstrieb

 In der arbeitsteiligen Welt ist jeder auf seinem Gebiet ein Fachmann, da kennt er sich aus, wenn es aber ums Ganze geht, das Universum alles dessen, was heute direkt erfahrbar ist oder mittelbar uns durch Medien aus aller Welt geliefert wird, versagt regelmäßig das Denken der meisten.

 So ist ein Mann, Landwirt oder Bäcker, in seinem Beruf tüchtig, ein nützliches Mitglied der Gesellschaft, der auch seine staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt – und plötzlich findet er sich in den Schützengräben vor Verdun wieder (wie mein Großvater) und soll als Menschenmaterial einer Kriegsmaschinerie krepieren. Ein Bewusstsein vom Ganzen hätte ihn vielleicht davor bewahrt. Aber Philosophie ist selbst an den Schulen bestenfalls etwas für Liebhaber; und was gelehrt wird, ist auch nicht dazu geeignet, das Ganze zu verstehen. Deshalb bastelt sich fast jeder seine private Weltanschauung zusammen. Darin ist schon der Titel falsch, als könne man die Welt anschauen. Aber die Menschen wollen Erklärungen für ihr Dasein als Ganzes und die Sinnsucher aller Couleur machen ihre Angebote. Der denkende Mensch wendet sich den scheinbar auf Tatsachen beruhenden Angeboten zu – und schon sitzt er der Ideologie auf. Ideologie als falsches Bewusstsein zur Herrschaftssicherung ist nicht einfach eine Manipulation von Hirnen, sondern die gesellschaftliche Wirklichkeit selbst drängt ein falsches Bewusstsein auf, weil sie eine falsche Wirklichkeit ist. Eine solche Ideologie ist die These vom Aggressionstrieb.

 Diese These von Sigmund Freud wurde nach dem 2. Weltkrieg begierig aufgegriffen, weil sie nicht nur den kapitalistischen Konkurrenzkampf als natürlichen rechtfertigt, sondern auch von den wahren Gründen der beiden großen Kriege des 20. Jahrhunderts ablenkt.

 Dass der Mensch gelegentlich aggressiv sein kann, ist nicht strittig, er hat die Anlage dazu, dass er aber einen Trieb in sich hat, der sich notwendig in Aggressionen äußern muss – das behauptet die Aggressionsthese – ist falsch. Sie wird von Freud so begründet:

 „Das gern verleugnete Stück Wirklichkeit hinter alledem ist, daß der Mensch nicht ein sanftes, liebebedürftiges Wesen ist, das sich höchstens, wenn angegriffen, auch zu verteidigen vermag, sondern daß er zu seinen Tiebbegabungen auch einen mächtigen Anteil von Aggressionsneigung rechnen darf. Infolgedessen ist ihm der Nächste nicht nur möglicher Helfer und Sexualobjekt, sondern auch eine Versuchung, seine Aggression an ihm zu befriedigen, seine Arbeitskraft ohne Entschädigung auszunützen, ihn ohne seine Einwilligung sexuell zu gebrauchen, sich in den Besitz seiner Habe zu setzen, ihn zu demütigen, ihm Schmerzen zu bereiten, ihm zu martern und zu töten. Homo homini lupus;  wer hat nach allen Erfahrungen des Lebens und der Geschichte den Mut, diesen Satz zu bestreiten? Diese grausame Aggression wartet in der Regel eine Provokation ab oder stellt sich in den Dienst einer anderen Absicht, deren Ziel auch mit mildernden Mitteln zu erreichen wäre. Unter ihr günstigen Umständen, wenn die seelischen Gegenkräfte, die sie sonst hemmen, weggefallen sind, äußert sie sich auch spontan, enthüllt den Menschen als wilde Bestie, der die Schonung der eigenen Art fremd ist. Wer die Greuel der Völkerwanderung, der Einbrüche der Hunnen, der sogenannten Mongolen unter Dschengis Khan und Timurlenk, der Eroberung Jerusalems durch die frommen Kreuzfahrer, ja selbst noch die Schrecken des letzten Weltkrieges in seine Erinnerung ruft, wird sich vor der Tatsächlichkeit dieser Auffassung demütig beugen müssen.“ (Freud: Unbehagen, S. 102)

 Freud begründet seine Ansicht von der Aggression nicht nur mit seiner therapeutischen Erfahrung, vor allem frustrierte Frauen aus der Oberklasse Wiens stellen seinen empirischen Ausgangspunkt dar, sondern auch mit historischen Beispielen von Brutalitäten, die er aus der Geschichte selektiert, ohne sie im Einzelnen zu analysieren, ohne ihre sozialen und ökonomischen Bedingungen auch nur anzudeuten (von den psychologischen Tatsachen gibt es meist überhaupt keine Belege). Nur durch diese gewaltsame Abstraktion kann er seine Aggressionsthese als überhistorische aufrecht erhalten.

 Der Aggressionsthese könnte man entgegenhalten, dass Soldaten vor der Schlacht nicht aggressiv sind, sondern Angst haben, dass sie zu Weihnachten 1914 zwischen den Fronten lieber mit dem Feind Fußball spielten und feierten, als aufeinander zu schießen. Es bedarf anscheinend großer Anstrengung, aus harmlosen Durchschnittsmenschen aggressive Soldaten zu machen. Solche partiellen Gegengründe bringen aber nicht weiter, sondern sind bestenfalls Indizien gegen die Aggressionsthese. Das entscheidende Argument habe ich bereits bei der Kritik der modernen Anthropologie vorgebracht: Man verallgemeinert falsch von gegenwärtigen beobachtbaren Zuständen auf eine angebliche Natur des Menschen, hier seine Triebneigung, die von der Steinzeit bis heute den Menschen in seinen Wesen ausmachen soll.

 Auch biologisch lässt sich ein angeblicher Aggressionstrieb nicht nachweisen. Ich bin kein Biologe, aber soweit diese Wissenschaft seriös ist und sich nicht als Ideologieproduzent profiliert, wie es zur Zeit Teile der Hirnforschung machen, müsste sie die Frage beantworten, ob es ein biologisches Substrat für einen Aggressionstrieb gibt oder nicht. Eduard Naegli schreibt darüber:

 „Ein Trieb ist seinem Wesen nach, also schon rein begrifflich, auf ein spezifisches Objekt gerichtet, wie das etwa beim Sexual-, Nahrungs- und Machttrieb der Fall ist. Für die Aggression trifft dies nicht zu. Das Objekt ist denkbar variabel, was gerade auch in kriminologischer Hinsicht bedeutsam ist. Aggression ist eine Verhaltensweise, die sich je nach Situation und Ursache gegen irgendwelche Objekte, zum Beispiel gegen völlig Unschuldige, ja gegen den Aggressionsträger selber richten kann. Man spricht deshalb auch von der Möglichkeit frei flottierender Aggression, die sich beliebig manipulieren läßt. Da die Triebe spezifisch objektgerichtet sind, haben sie auch ihren spezifischen Grund (Nahrungstrieb = Hunger und Durst). Die Gründe für aggressives Verhalten sind demgegenüber äußerst vielfältig und zudem meistens sehr komplexer Art. (...) Andererseits haben all die aggressiven Handlungsweisen in der Art, wie sie sich manifestieren (z.B. in Gewaltanwendung oder mit dem Ausdruck von Feindseligkeit), etwas Übereinstimmendes, und dieses Übereinstimmende wird fälschlicherweise als einheitlicher Grundtrieb aufgefaßt, was eine die Wirklichkeit völlig verschleiernde Simplifikation bedeutet.“ (in Plack: Mythos, S. 168)

 Die Aggressionsthese (bei Lorenz das „sogenannte Böse“) ist schon rein logisch nicht haltbar. Die logischen Fehler, die dieser These zu Grunde liegen sind:

-         Anekdotenhafte Beispiele, vielleicht noch aus der Tierwelt, werden als Begründung angeführt.

-         Die Argumentation ist widersprüchlich, z.B., dass es mehrere Ursachen gebe, aber nur einen Trieb.

-         Komplexe Vorgänge werden auf eine eindimensionale These reduziert.

-         Das empirische Beobachtungsmaterial wird unzulässig verallgemeinert.

-         Speziell wird das empirisch untersuchte Material aus der Gegenwart unbegründet auf das überhistorische Wesen des Menschen als seine Triebstruktur verallgemeinert.

-         Vor allem aber wird die beobachtbare Aggression als Symptom der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft zur Ursache der Aggression umgedeutet.

 Gibt es aber keinen „Aggressionstrieb“, dann stellt sich die Frage, warum gerade diese These vom Aggressionstrieb so populär wurde und immer noch ist. Die Kriege, die oben von Freud erwähnt wurden, und vor allem der 2. Weltkrieg mit seinen unvorstellbaren Verbrechen, lassen sich scheinbar als Ausfluss menschlicher Aggressivität erklären. Man brauchte nicht mehr nach den wirklichen Ursachen suchen wie dem Streben nationaler Kapitale nach Weltmacht oder den besonderen deutschen Verhältnissen einer verspäteten Industrienation, die nur durch einen Klassenkompromiss zwischen Bürgertum und militaristischen Adel zu haben war. Vor allem aber lässt sich durch die Biologisierung sozialer Ursachen die Tatsache verdrängen, dass die kapitalistische Ökonomie selbst permanent Kriege in sich birgt, eine Erkenntnis, die Karriere schädigend werden kann. Das nützt nicht nur den Vermögenden und Kriegstreibern, sondern auch den Mitläufern, die mit einer griffigen Formel, der Aggressionstrieb sei verantwortlich, Kriege seien ein Ausfluss unserer Natur, ihre eigene Schuld verdrängen und rationalisieren können.

 Auch heute im friedlichen Konkurrenzkampf leiste der „Aggressionstrieb“ gute ideologische Dienste. Arno Plack schriebt dazu: „Da Aggressivität als naturgegeben und (darum) als unvermeidlich gilt, darf jeder, der auf eine 'sublimierte', sozial angepasste Weise aggressiv ist, das beruhigende Empfinden entwickeln, im harten Konkurrieren nicht gegen den Geist der Gemeinschaft zu verstoßen.“ (Mythos, S. 205)  Die Aggressionsthese wird zur Legitimation kapitalistischer Verhaltensweisen, zur Ideologie par excellence. Sie ist notwendig falsches Bewusstsein zur ideellen Sicherung der Herrschaft des Kapitals. Notwendig, denn die empirische Erfahrung drängt dem Bewusstsein das Vorhandensein von Aggression auf. Bewusstsein, denn sie ist ja wirklich feststellbar, man kann sie in jeder Nachrichtensendung erfahren. Falsch ist dieses Bewusstsein, weil es ein Symptom der gegenwärtigen Gesellschaft zur natürlichen Ursache des Gewordenen verdreht. Herrschaftssicherung: Diese Verdrehung lässt das entstandene Wirtschaftssystem als Natürliches erscheinen und verklärt es dadurch; wer sich diesem anpasse und unterordne, folge nur seinem natürlichen Trieb.

 Wenn so eine falsche These dann auch noch dazu dient, vermeintlich harmlos Formen der Aggression als Ausfluss des Triebes zu propagieren, wird die Aggression erst richtig eingeübt, gelegentlich aggressive Verhaltensweisen künstlich verstärkt. „Die Empfehlung, Aggressivität auf eine harmlose, sozial unschädliche Weise 'abzureagieren', etwa durch Kampfsport, beruflichen Konkurrenzkampf oder politischen Kampf, nimmt den frustrierten Menschen in den vitalen Motiven seiner aggressiven Gereiztheit nicht ernst. (...) Die Aufforderung, aggressive Neigungen auf harmlose Weise abzureagieren, übersieht auch die Gefahr, daß jede Äußerung oder auch 'Abreaktion' von aggressivem Triebdruck – bei momentaner affektiver Entlastung – den nervösen und hormonalen Mechanismus aggressiven Verhaltens gleichsam ölt, derart, daß neuerlicher Triebstau, aus motorischer oder sexueller Frustration sich bildend, um so leichter aggressiv sich organisiert und abführt. Die zentralnervösen Bahnen aggressiven Verhaltens werden eingeschliffen.“ (Plack: Mythos, S. 204 f.)  Die Psychologie, die derartige Empfehlungen ausspricht, wird selbst zu der Krankheit, die sie bekämpfen will.

 Wenn nun die Bedingungen entscheidend sind, unter denen jemand lebt, ob er aggressiv ist oder nicht, dann wäre eine Gesellschaftsordnung denkbar, die Aggression weitgehend ausschließt, also ein friedliches Zusammenleben ermöglicht. Dies können aber die bürgerlichen Psychologen nicht akzeptieren, es widerspricht ihrem falschen Weltbild. So antwortet Freud auf den Hinweis auf solche Bedingungen: „(...) ich kann nicht untersuchen, ob die Abschaffung des privaten Eigentums zweckdienlich und vorteilhaft ist. Aber seine psychologische Voraussetzung vermag ich als haltlose Illusion zu erkennen. Mit de Aufhebung des Privateigentum entzieht man der menschlichen Aggressionslust eines ihrer Werkzeuge, gewiß ein starkes, und gewiß nicht das stärkste. An den Unterschieden von Macht und Einfluß, welche die Aggression für ihre Absichten mißbraucht, daran hat man nichts geändert, auch an ihrem Wesen nicht. Sie ist nicht durch das Eigentum geschaffen worden, herrschte fast uneingeschränkt in Urzeiten (woher weiß er das?), als das Eigentum noch sehr armselig war, zeigt sich bereits in der Kinderstube, kaum daß das Eigentum seine anale Urform aufgegeben hat, bildet den Bodensatz aller zärtlichen und Liebesbeziehungen unter den Menschen, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der einer Mutter zu ihrem männlichen Kind. Räumt man das persönliche Anrecht auf dingliche Güter weg, so bleibt noch das Vorrecht aus sexuellen Beziehungen, das die Quelle der stärksten Mißgunst und der heftigsten Feindseligkeit unter den sonst gleichgestellten Menschen werden muß. Hebt man auch dieses auf durch die völlige Befreiung des Sexuallebens, beseitigt also die Familie, die Keimzelle der Kultur, so läßt sich zwar nicht vorhersehen, welche neuen Wege die Kulturentwicklung einschlagen kann; aber eines darf man erwarten, daß der unzerstörbare Zug der menschlichen Natur ihr auch dorthin folgen wird.“ (Freud: Unbehagen, S. 103 f.)

 War Freud in Bezug auf seine Wissenschaft vorsichtig und sprach von „deuten“, so redet er plötzlich, wenn es um die ideologischen Vorurteile seiner Zeit und Klasse geht, in einer apodiktischen Sprache. Die Aggressionsthese scheint weniger den unzerstörbarer Zug der menschlichen Natur darzustellen, als eine Blockade von Freuds Denkens zu sein. Trotz der Schranken von Freud hat eine auf seiner Forschung aufbauende kritische Theorie Erkenntnisse zutage befördert, die der kennen muss, der seine Triebe und seine Sinne nicht allein den brutalisierenden sozialen Verhältnissen aussetzen will, sondern zumindest ein provisorisches Glück anstrebt, das nur im Kampf gegen eine gesellschaftliche Ordnung liegen kann, die die Repression der Triebe notwendig macht. Jedes Streben nach Glück auf der Basis der regressiv organisierten Triebe wäre eine Illusion, als könnte man die sozial bedingte Entfremdung in einem ignorieren. Erst die Kritik der herrschenden Triebstruktur, die auch in einem ist, mit dem Ziel sie aufzuheben, erlaubt zumindest provisorisches Glück. Das jedoch setzt die Kenntnis dieser Triebstruktur voraus.

   

Die Triebstruktur des heutigen Menschen

 Wenn der Mensch anthropologisch nicht festgelegt ist, wenn er offen ist  in seiner Entwicklung und wenn die gegenwärtige soziale Triebstruktur historisch entstanden ist, dann muss man diese analysieren und die Kräfte bestimmen, die sie formen, um mit seiner Lust und allgemein seinen Gefühlen umgehen zu können. Unter der gegenwärtigen sozialen Triebstruktur verstehe ich die vorherrschenden Charaktereigenschaften der heutigen Menschen, die durchschnittliche Art ihrer Triebbefriedigung oder Triebunterdrückung und ihre vorherrschenden Bedürfnisse. Triebe sind demnach ein teils bewusster, teils unbewusster dauerhafter biologischer Drang in uns, eine permanente Geneigtheit, vorzüglich als Sexual- und Nahrungstrieb. Bedürfnisse sind zu Bewusstsein gelangte Äußerungen des Triebes, evtl. seine kulturelle und zivilisatorische Formung. Werden diese mit dem Gesamtgesellschaftlichen vermittelt, dann werden aus Bedürfnissen Interessen.

Was der einzelne Mensch heute vom Charakter her ist, bestimmt er nur in  geringem Grade selbst, er wird durch seine Umwelt geformt. Diese aber ist Resultat einer Ökonomie, welche die Erdoberfläche in den letzten 200 Jahren völlig umgestaltet hat. Oberster Zweck der kapitalistischen Ökonomie ist nicht einfach der Mehrwert (oder seine Erscheinung als Profit), sondern die Produktion von akkumulierbaren Mehrwert: die Wiederanlage des Profits mit verbesserter Produktivität, ökonomisch die Anhäufung von Reichtum, moralisch die Produktion um der Produktion willen (nicht um der Bedürfnisse willen). Dieser oberste Zweck ist nicht in die Willkür der einzelnen Kapitaleigner gestellt, sondern ökonomisch erzwungen bei Strafe des Ruins und des Verlustes am Eigentum. Seit das Kapital nicht nur formell sich die Produktion der Gesellschaft unterwirft, sondern eine reelle Subsumtion der Produktion unter das Kapital stattfindet, also die Produktion selbst bereits Warenproduktion unter der Regie des Kapitals ist, versucht es auch alle Bereiche der Gesellschaft sich zu unterwerfen.

So z.B. wurde die Schulzeit permanent ausgeweitet, was einerseits so etwas wie Kindheit für alle erst ermöglichte, andererseits versucht das Kapital und seine Bildungspolitiker diese Schonzeit so zu gestalten, dass sie seinen Verwertungsbedürfnissen entspricht, also diese „Schonzeit“ zu effektivieren, zu rationalisieren und als gegenwärtigen Trend selbst in ein Geschäft zu verwandeln. Da der Zweck der Schule, neben allen idealistischen Bildungsgerede, vor allem die allgemeine Qualifikation der Arbeitskraft ist, wird hier der Charaktertyp der kapitalistischen Industriegesellschaft vorgeprägt. Individuelles Karrierestreben (Zensuren) ebenso wie Teamgeist, Fleiß und Sparsamkeit als protestantische Tugenden ebenso wie Konsumverhalten und Verschwendung des Veralteten werden eingeübt. Sind die Eltern der Kinder selbst bereits seit Generationen durch dieses Erziehungssystem gegangen, dann werden bereits die Kleinkinder nach den vorherrschenden „Werten“ kapitalistischer Sozialisation erzogen.

Diese Primär- und Sekundärsozialisation wird überformt, gewandelt, modernisiert und deformiert durch die Konsumgüterindustrie, von der die Menschen seit der Industrialisierung abhängen. Indem die Kaufkraft der Lohnabhängigen längere Zeit gewachsen ist, neue Konsumgüter zum Erhalt der Arbeitskraft notwendig wurden (z.B. Autos), ihre Freizeit sich verlängert hat und neue Bedürfnisse für den „Freizeit“-Konsum geschaffen wurden, hat sich auch das Kapital der Konsumindustrie ausgeweitet. Wie in jeder derartigen Produktion neigt es zur Überkapitalisierung und Überproduktion. Das Kapital hat deshalb das Bestreben, soweit dies marktwirtschaftlich möglich ist, neue Bedürfnisse der Konsumenten hervorzurufen, die bestehenden Bedürfnisse zu lenken und auf ihre neuesten Produkte hin zu modifizieren. Altes und Bewährtes muss entwertet werden, um Platz für neue Produkte zu schaffen. Die Konsumindustrie kann ihre Strategien nur durchsetzen, indem sie die Gefühle und das Bewusstsein der Menschen mit Sozialtechniken beherrscht, die Bedürfnisse stimuliert und das Leben und die Umwelt ästhetisiert. Sie verkauft deshalb nicht nur einfach Waren, sondern damit verbunden ganze Weltbilder und Sinnzusammenhänge, die das Ganze des Lebens in ihrem Sinne widerspiegeln.

Die Konsumindustrie erzeugt dadurch zwar ein überschießendes Bedürfnispotenzial, das immer mehr will, als es hat, zugleich entfremdet sie auch das Bewusstsein der Menschen von dem Bewusstsein der Entfremdung. Man hat diesen Vorgang als „Imperialismus nach innen“ oder als „Kolonisierung des Bewusstseins“ bezeichnet. Da dieser Trend aber immer auch widersprüchlich ist, haben wir keine „Brave new world“, sondern auch der Dümmste merkt irgendwann, das dieser Schein der Warenwelt, insofern er nur Surrogate oder bloße Versprechen liefert, ohne Substanz ist. Auf jeden Fall ist es dem Kapital gelungen auch den Freizeitbereich der Menschen mit samt ihrer Triebstruktur reell unter das Kapital zu subsumieren. Thomas Ziehe, dem ich hier weitgehend gefolgt bin, schreibt dazu 1978:

„Die Expansion der Konsumgüterproduktion bedeutet innerhalb der Entwicklungsgeschichte des Kapitals eine weitere Stufe der Vergesellschaftung: Nämlich der Vergesellschaftung von Bedürfnismustern und Phantasieelementen, die bisher eher außerhalb des Strategiehorizonts kapitalistischer Planung und Steuerung lagen. Es werden auf dieser Vergesellschaftungsstufe auch Bereiche, die neben der eigentlichen Warenproduktion existieren, einem permanenten Transformationsprozeß unterworfen, um Bedürfnisse und Phantasien der Subjekte jeweils so organisieren zu können, daß sie sich mit der Quantität und spezifischen Form des Warenangebots möglichst weitgehend decken.“ (Ziehe: Pubertät, S. 80)

Wenn in der Gegenwart die Lohnkosten aber gesenkt werden, weil die automatisierte Produktion immer weniger Menschen benötigt, also die Gewerkschaften an Macht verlieren, da genügend „Ersatzmänner“ zur Verfügung stehen, ein Trend, der sich in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen wird, dann wird die Akzeptanz dieses Wirtschaftssystems zwar sinken, aber ob die Gegenkräfte ein mögliches Protestpotenzial organisieren können, ist fraglich, solange die Menschen bis in ihr Unbewusstes mit dieser Produktionsweise verbunden sind.

 Im Extremfall werden wir zur perfekt integrierten Charaktermaske des Kapitals. „Denn die perfekt integrierte 'ökonomische Charaktermaske' kommt kaum mehr dazu, überhaupt eigene Bedürfnisse und Wünsche zu entwickeln, an deren Unerfülltheit bzw. Versagen (eine gewisse Kaufkraft einmal vorausgesetzt) sie 'leiden' könnte. Sie wünscht tendenziell nur noch, was sie kaufen kann bzw. woran das Kapital verdient. Da ihre 'eigenen', authentischen Wünsche bis zur Unkenntlichkeit entstellt sind, wird deren Versagung auch nicht mehr als Leidensdruck empfunden. Litt der klassische Neurotiker (bzw. Psychotiker) noch an der Unerfüllbarkeit seiner 'Kinderwünsche', so hat das Kapital ihn von diesem Leiden scheinbar 'erlöst', indem es ihm das klischierte und standardisierte Abziehbild seiner 'Kinderwünsche' nun in käuflicher Form immer und überall präsentiert. Die warenästhetische Indienstnahme der 'Kinderwünsche' und ihre scheinhafte Erfüllung im Medium des Kaufens, verringert  so die ehemals neurotisierende (bzw. psychotisierende) Spannung zwischen Wunsch und versagender Wirklichkeit.“ (Schneider, zitiert nach Ziehe, a.a.O., S. 197 f.)  Als Hampelmann der Warenwelt ist das Versprechen nach Wollust für alle, mit dem die bürgerliche Philosophie bei La Mettrie anfing, unter dem Schein seiner Befriedigung ad absurdum geführt.

 Hoffnung auf volles sinnliches Glück gibt es nur, weil die Menschen niemals vollständig manipulierbar sind. Wenn die Warenästhetik der Konsumindustrie, wozu auch die Bewusstseinsindustrie gehört, die Bedürfnisse der Menschen vorformt und entfremdet, sind diese Bedürfnisse und Wünsche ja noch vorhanden. Eine schöne Frau im Bikini an der Litfaßsäule erregt bei Männern zwar sexuelle Wünsche, die sich auf das beworbene Produkt konzentrieren sollen, dadurch ist aber der sexuelle Wunsch noch nicht befriedigt.

 „Daß sich aber dieses permanent genährte Bedürfnis auf Dauer an die Waren binden müßte, ist noch nicht ausgemacht. Vielmehr spricht ebensoviel dafür, daß die ständige warenästhetische Nutzung die Phantasiewerte verschleißt. Wenn nämlich die warenästhetisch funktionalisierten Symbole einem ständig beschleunigten Wechsel- und Umstilisierungsprozeß unterworfen werden, dem der Erfahrungsrhythmus der Subkultur gar nicht mehr nachkommen kann, so ist es wahrscheinlich, daß bezüglich des Rezeptionswillens der Subjekte eine Abstumpfung und Immunisierung gegen die warengebundenen Phantasieversprechen hervorgerufen wird.“ (Ziehe: Pubertät, S. 198)

 Lösen kann man sich von der Scheinbefriedigung letztlich nur dadurch, dass man diesen Zusammenhang von wahren Bedürfnissen und Schein reflektiert – was der Leser mit dem Autor gerade ansatzweise getan hat. Dazu muss man aber auch die Kulturindustrie reflektieren, um die Manipulationen des Denkens und Fühlens durch diese einigermaßen zu verstehen.

 

Kulturindustrie und die Manipulation von Vernunft und Gefühl

 Neben der Konsumindustrie, über ihr und mit ihr verschwistert hat sich eine Kulturindustrie etabliert, die das Herz und Hirn ihrer Opfer derart in Beschlag nimmt, dass sich der Mensch nur schwer ihr entziehen kann. Horkheimer und Adorno haben in ihrem Kapitel „Kulturindustrie“ aus der „Dialektik der Aufklärung“ u.a. am Beispiel des Amüsements  dargestellt, wie tief die Charakterstruktur von der kapitalistischen Kulturindustrie geprägt wird.

 „Amusement ist die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus. Es wird von dem gesucht, der dem mechanisierten Arbeitsprozeß ausweichen will, um ihm von neuem gewachsen zu sein. Zugleich aber hat die Mechanisierung solche Macht über den Freizeitler und sein Glück, sie bestimmt so gründlich die Fabrikation der Amüsierwaren, daß er nichts anderes mehr erfahren kann als die Nachbilder des Arbeitsvorgangs selbst. Der vorgebliche Inhalt ist bloß verblaßter Vordergrund; was sich einprägt, ist die automatisierte Abfolge genormter Verrichtungen. Dem Arbeitsvorgang in Fabrik und Büro ist auszuweichen nur in der Angleichung an ihn in der Muße. Daran krankt unheilbar alles Amusement. Das Vergnügen erstarrt zur Langeweile, weil es, um Vergnügen zu bleiben, nicht wieder Anstrengung kosten soll und daher streng in den ausgefahrenen Assoziationsgeleisen sich bewegt. Der Zuschauer soll keiner eigenen Gedanken bedürfen: das Produkt zeichnet jede Reaktion vor: nicht durch seinen sachlichen Zusammenhang – dieser zerfällt, soweit er Denken beansprucht -, sondern durch Signale. Jede logische Verbindung, die geistigen Atem voraussetzt, wird peinlich vermieden.“ (Horkheimer/Adorno: Aufklärung, S. 123)

 Aber auch die es anspruchsvoller haben wollen, werden bedient, die Kulturindustrie, die heute eher eine Bewusstseinsindustrie ist, macht ein System aus, das jede Art von Gefühl bedient und dadurch prägt. Sie schlägt alles mit Ähnlichkeit. So ist die beliebte Starwars-Serie nichts anderes als die Fortsetzung des Konkurrenzkampfes und des Krieges der Gegenwart in der Zukunft. Schon Walter Benjamin stellte fest, dass dem Bürgertum bereits bei Jules Verne die soziale Fantasie ausgeht und Utopien nur noch technische sind. „Von Interessenten wird die Kulturindustrie gern technologisch erklärt. Die Teilnahme der Millionen an ihr erzwinge Reproduktionsverfahren, die es wiederum unabwendbar machten, daß an zahllosen Stellen gleiche Bedürfnisse mit Standardgütern beliefert werden. (...) Die Standards seien ursprünglich aus den Bedürfnissen der Konsumenten hervorgegangen: daher würden sie so widerstandslos akzeptiert. In der Tat ist es der Zirkel von Manipulation und rückwirkendem Bedürfnis, in dem die Einheit des Systems immer dichter zusammenschießt. Verschwiegen wird dabei, daß der Boden, auf dem die Technik Macht über die Gesellschaft gewinnt, die Macht der ökonomisch Stärksten über die Gesellschaft ist.“ (Horkheimer/Adorno: Aufklärung, S. 109)

 Auch wenn es nicht die Technik selbst ist, die Macht hat, sondern die Vermögenden mit ihren Interessen, welche die Inhalte bestimmen, die mithilfe der Technik vermittelt werden, so sagt doch der Zirkel, der zur Rechtfertigung herangezogen wird, viel über die versteinerte Triebstruktur aus. Die anerzogene Bedürfnisweise, die durch Herrschaft geprägt sind, werden durch die Kulturindustrie verfestigt, und diese verfestigten Bedürfnisweise wieder als Grund für die Produktionen ausgegeben. Dieser Regression der Gefühlswelt der großen Mehrheit entspricht die geistige Anpassung an den Mainstream. Was Horkheimer 1935 beobachtete, kann heute jeder in seiner Umgebung verifizieren. „Der menschliche Typus, der dem gegenwärtigen Zustand entspricht, erkennt alles an, was im Dienste der Macht steht. Die großen Züge dessen, was jetzt geschieht und gilt, sind ihm die Norm der Welt. Als kleiner Aristoteles sieht heute jeder Durchschnittsmensch umso mehr Vollkommenheit bei einer Sache, je mehr sie wirklich ist; als kleiner Schiller hält er die Weltgeschichte für das Weltgericht.“ (Horkheimer: Anthropologie, S, 17)  Selbst die Intellektuellen, die am ehesten fähig wären, für ein kritisches Gegenwartsbewusstsein zu sorgen, passen sich in ihrer Mehrzahl ihren Brotgebern an. Wenn aber selbst die Intellektuellen der jeweiligen Tendenz der kapitalistischen Produktionsweise folgen, dann hat Vernunft, soweit sie auf ihrem avancierten Stand sein will, kaum noch Bedeutung in der Gesellschaft, denn die Macht der Vernunft kann immer nur die Macht der Vernünftigen sein (Brecht). Auch wie die reduzierte Vernunft des durchschnittlichen Intellektuellen aussieht, hat Horkheimer beschrieben:

 „Gerechtigkeit, Gleichheit, Glück, Toleranz, alle diese Begriffe, die ... in den vorhergehenden Jahrhunderten der Vernunft innewohnen oder von ihr sanktioniert sein sollen, haben ihre geistigen Wurzeln verloren. Sie sind noch Ziele und Zwecke, aber es gibt keine rationale Instanz, die befugt wäre, ihnen einen Wert zuzusprechen und sie mit einer objektiven Realität zusammenzubringen. Approbiert durch verehrungswürdige historische Dokumente, mögen sie sich noch eines gewissen Prestiges erfreuen, und einige sind im Grundgesetz der größten Länder enthalten. Nichtsdestoweniger ermangeln sie der Bestätigung durch die Vernunft in ihrem modernen Sinne. Wer kann sagen, daß irgendeines dieser Ideale enger auf Wahrheit bezogen ist als sein Gegenteil? Nach der Philosophie des durchschnittlichen modernen Intellektuellen gibt es nur eine Autorität, nämlich die Wissenschaft, begriffen als Klassifikation von Tatsachen und Berechnung von Wahrscheinlichkeiten. Die Feststellung, daß Gerechtigkeit und Freiheit an sich besser sind als Ungerechtigkeit und Unterdrückung, ist wissenschaftlich nicht verifizierbar und nutzlos. An sich klingt sie mittlerweile gerade so sinnlos wie die Feststellung, Rot sei schöner als Blau oder ein Ei besser als Milch.“ (zitiert nach Weizenbaum: Computer, S. 330)

 Gegen diese Eindimensionalität der modernen Sicht auf den Menschen, seine Vernunft und seine Gefühle, könnte man einwenden, dass diese Darstellung des herrschenden Geistes und der Triebstruktur nur eine dominierende Tendenz ist, der man sich auch zeitweise oder partiell entziehen kann, dass man, obwohl man in der Arbeitswelt funktionieren muss, um leben zu können, sich nicht auch noch gedanklich anpassen braucht, sondern sich zumindest ein kritisches Bewusstsein erarbeiten und bewahren kann, dass die Widersprüche des Bestehenden dazu zwingen, Distanz ihm gegenüber  zu entwickeln. Faktisch gelingt dies aber immer nur einzelnen. Wenn man bedenkt, dass ein Hinaufarbeiten auf den avancierten Stand der Vernunft ein ganzes Universitätsstudium verlangt – und man muss noch Glück haben, einen kritischen Philosophen als Lehrer zu finden -, dann sind in diesem Sinn kritisch Denkende eine verschwindende Minderheit. Andererseits enthält die kapitalistische Gesellschaft gravierende Widersprüche, die sich auch in sozialen Katastrophen äußern, die zur spontanen Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen drängen. Diese spontane Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft ist aber oft nicht auf den avancierten Stand der Vernunft, obwohl in Büchern, Zeitschriften und heute auch im Internet zumindest Aspekte der entwickelten Vernunft abrufbar sind. Dieses kritische Vernunftpotenzial ertrinkt aber für den ungeschulten Kopf in einer Flut von formalistischen bis reaktionären Varianten der Vernunft.

 Eine Möglichkeit, vernünftige Reflexion zu initiieren, besteht darin, eingebürgerte und durch die Warenästhetik ausgebeutete Gefühlswünsche mit ihren Realisierungschancen zu konfrontieren. Dies lässt sich am Beispiel der romantischen Liebe demonstrieren.

   

Vorherrschende Triebstruktur und romantische Liebe

 Die Menschen müssen heute in der kapitalistischen Marktwirtschaft, um leben zu können, sowohl Konkurrenten der anderen Menschen sein wie sie zugleich mit ihnen kooperieren sollen. Sie sind Konkurrenten etwa um Arbeitsplätze, gute Schulnoten und Aufstiegschancen, zugleich sollen sie Teamgeist haben, technisch reibungslos mit anderen zusammen arbeiten und das Betriebsklima nicht durch „unfaire“ Mittel wie Mobbing stören. Diese Situation verlangt eine bestimmte Triebstruktur, die tatsächlich in den letzten 200 Jahren erzeugt wurde und die sich nach dem Stand der Produktivkräfte und Produktionsverhältnissen weiter entwickelt – wie oben gezeigt wurde. Erich Fromm beschreibt diese Triebstruktur des heutigen Menschen in den westlichen Metropolen in Bezug auf seine Liebesfähigkeit so:

 „Der moderne Mensch ist sich selbst, seinen Mitmenschen und der Natur entfremdet. (...) Er hat sich in eine Gebrauchsware verwandelt und erlebt seine Lebenskräfte als Kapitalanlage, die ihm unter den jeweils gegebenen  Marktbedingungen den größtmöglichen Profit einzubringen hat. Die menschlichen Beziehungen sind im wesentlichen die von entfremdeten Automaten. Jeder glaubt sich dann in Sicherheit, wenn er möglichst dicht bei der Herde bleibt und sich in seinem Denken, Fühlen und Handeln nicht von den anderen unterscheidet. Während aber jeder versucht, den übrigen so nahe wie möglich zu sein, bleibt er doch völlig allein und hat  ein tiefes Gefühl der Unsicherheit, Angst und Schuld, wie es immer dann entsteht, wenn der Mensch sein Getrenntsein nicht zu überwinden vermag. Unsere Zivilisation verfügt über viele Betäubungsmittel, die den Leuten helfen, sich ihres Alleinseins nicht bewußt zu werden: Da ist vor allem die strenge Routine der bürokratischen, mechanischen Arbeit, die verhindern hilft, daß sich die Menschen ihres tiefsten Bedürfnisses, des Verlangens nach Transzendenz und Einheit, bewußt werden. Da die Arbeitsroutine hierzu nicht ausreicht, überwindet der Mensch seine unbewußte Verzweiflung durch die Routine des Vergnügens, durch den passiven Konsum von Tönen und Bildern, wie ihm die Vergnügungsindustrie bietet; außerdem durch die Befriedigung, ständig neue Dinge zu kaufen und diese bald wieder gegen andere auszuwechseln.“ (Fromm: Lieben, S. 101)  Dieser Menschentyp wird unfähig wahre Liebe zu empfinden, wie sie von den Dichtern seit dem  Sturm und Drang besungen wurde.

 Als romantische Liebe gilt eine innige Beziehung zweier Personen, die sich nicht nur auf den Körper des anderen, seine Schönheit oder seine Arbeitskraft bezieht, sondern auch den Charakter des Geliebten einbezieht, letztlich eine Verschmelzung zweier Seelen sein soll. So stellt Goethe die Liebe in seiner Erlebnislyrik dar, z.B. in „Willkommen und Abschied“:

Dich sah ich, und die milde Freude

Floss von dem süßen Blick auf mich;

Ganz war mein Herz an deiner Seite

Und jeder Atemzug für dich.

Ein rosenfarbnes Frühlingswetter

Umgab das liebliche Gesicht,

Und Zärtlichkeit für mich  - ihr Götter!

Ich hofft' es, ich verdient' es nicht!

Und wenn der Geliebte für immer von einem geht, dann kann das die größte seelische Katastrophe sein, wie „Das verlassene Mägdlein“ von Mörike zeigt:  

Träne auf Träne dann

Stürzet hernieder;

So kommt der Tag heran -

O ging' er wieder!

 Doch zu dieser Art Liebe sind die meisten Menschen kaum fähig. Bestenfalls im Verliebtsein scheint diese Liebe auf. Der Grad des Verliebtseins ist jedoch meist nur der Grad vorhergehender Einsamkeit, der Geliebte nur ein Idealbild, das man sich imaginiert, nicht der wirkliche Gegenüber. Ist das Verliebtsein verflogen, lernt man den anderen besser kennen, dann hindert die Triebstruktur in aller Regel zur reifen Liebe fortzuschreiten. Wie die Liebe dann in der Ehe aussieht, beschreibt Fromm so:

 „Wie nicht anders zu erwarten, ist auch die Liebe vom Gesellschafts-Charakter des modernen Menschen geprägt. Automaten können nicht lieben, sie tauschen ihre persönlichen Vorzüge aus und hoffen auf ein faires Geschäft. Einer der signifikantesten Ausdrücke im Zusammenhang mit Liebe und besonders im Zusammenhang mit einer solchermaßen entfremdeten Ehe ist die Idee des 'Teams'. In zahllosen Artikeln über die glückliche Ehe wird deren Idealform als ein reibungslos funktionierendes Team beschrieben. Diese Beschreibung unterscheidet sich kaum von der eines reibungslos funktionierenden Angestellten, der 'ziemlich unabhängig', zur Zusammenarbeit bereit, tolerant und gleichzeitig ehrgeizig und aggressiv sein sollte. Dementsprechend soll der Ehemann, wie die Eheberater uns mitteilen, seine Frau 'verstehen' und ihr eine Hilfe sein. Er soll ihr neues Kleid und ein schmackhaftes Gericht, das sie ihm vorsetzt, loben. Sie ihrerseits soll Verständnis dafür haben, wenn er müde und schlechtgelaunt heimkommt, sie soll ihm aufmerksam zuhören, wenn er über seine beruflichen Schwierigkeiten redet, und sich nicht ärgern, sondern es verständnisvoll aufnehmen, wenn er ihren Geburtstag vergißt. Beziehungen dieser Art laufen alle auf die gut geölte Beziehung zwischen zwei Menschen hinaus, die sich ihr ganzes Leben lang fremd bleiben (...). Bei dieser Auffassung von Liebe und Ehe kommt es in erster Linie darauf an, eine Zuflucht vor dem sonst unerträglichen Gefühl des Alleinseins zu finden. In der 'Liebe' hat man endlich einen Hafen gefunden, der einen vor der Einsamkeit schützt. Man schließt zu zweit einen Bund gegen die Welt und hält dann diesen égoisme à deux irrtümlich für Liebe und Vertrautheit.“ (Fromm: Lieben, S. 102 f.) 

 Diese richtige Kritik an den Tendenzen, die gegen unsere emotionalen Möglichkeiten sprechen, die wahres Glück in der Liebe meist scheitern lassen, weil die antrainierte Triebstruktur des heutigen Menschen liebesfeindlich ist, nimmt der Erich Fromm von „Die Kunst des Liebens“ aber nicht ernst. Denn sein Buch will – wie der programmatische Titel bereits sagt – die „ganze Persönlichkeit“ (S. 9) entwickeln durch seine Ratschläge, damit sie zum Lieben fähig wird. Wenn seine Ratschläge, die Kunst des Liebens zu lehren, Erfolg hätten, dann würde dieser Mensch ökonomisch scheitern, weil seine Triebstruktur im Widerspruch zu den kapitalistischen Erfordernissen steht. Passt er sich aber – wie es in der Regel geschieht – den ökonomischen Erfordernissen mit seiner Triebstruktur an, dann wird er unfähig zur romantischen Liebe. Doch auch die Wahl, sich in diesem Dilemma zu entscheiden, hat der moderne Mensch kaum. Ihm wird von klein auf die vorherrschende  Triebstruktur eingeübt, so dass er diese, nicht aber die romantische Liebe und die entwickelte Persönlichkeit nach dem klassischen Menschenbild, als natürliche empfindet. Diese zweite Natur (da anerzogen und zur Gewohnheit geronnen) ist so fest in ihm verwurzelt und verfestigt, dass es allergrößte Anstrengung bedürfte, dies zu ändern, eine Anstrengung zumal, die ihm in der kapitalistischen Gesellschaft Schwierigkeiten und Nachteile einbringen würde. 

 Ein Jugendbuch über Sexualität, das sich erfrischend von dem Aufklärungsmief der 50er Jahre abhebt, enthält eine Menge nützlicher Tipps, will Vorurteile der Spießergesellschaft z.B. über das Onanieren abbauen und reflektiert die sozialen Hindernisse freier Sexualität, enthält aber kaum eine Reflexion über die Liebe. Sie wird in „Sexfront“ von Günter Amendt nur beiläufig am Rande erwähnt. „Eine intensive Beziehung zweier Menschen zueinander ist nicht einfach da, sie stellt sich erst im Laufe von Zeit ein. Der Wunsch, jemanden, den man kennt, kennenzulernen, kann sich sehr bald erschöpften, er kann sich mit jedem Mal steigern. Sympathie stellt sich ein, auch Liebe. Der Weg der Annäherung kann aber ebenso schnell wieder abbiegen in Entfremdung voneinander. Wenn das, was man als Auseinanderleben bezeichnet, von beiden Betroffenen gleichermaßen empfunden wird, dann steht der Lösung einer alten Beziehung und der Aufnahme neuer Beziehungen mit anderen nichts mehr im Wege.“ (Amendt: Sexfront, S. 100)  Liebe kann das platte linke Gewissen anscheinend immer nur zugleich mit der baldigen Trennung reflektieren, als ob nicht die Liebe – paradox - zeitlos ist, solange sie besteht. Nicht so für den scheinaufgeklärten Manager seiner Gefühle.

 Für moderne Menschen, auch wenn er mit revolutionärer Attitüde daherkommt, ist Sexualität nichts anderes als Essen oder Trinken, man wechselt den Liebespartner wie einen Sportverein oder ein Esslokal. Romantische Liebe klingt da wie eine Illusion aus einem verschwundenen Zeitalter. Gewiss war die Steigerung in das Liebesgefühl immer auch eine Folge patriarchalischer Unterdrückung, aber sie war es nicht nur, sondern enthielt einen Überschuss menschlicher Möglichkeiten, der in der Sachlichkeit der Sexplanung völlig verschwunden ist. Für Partys schlägt Amendt folgende Checkliste vor, ob es lohnend ist hinzugehen.

 „Party-Regeln:

  1. Gibt es was zu essen?
  2. Gibt es was zu trinken?
  3. Gibt es was zu ficken?
  4. Kann man jemanden anpumpen?

Gehe Punkt für Punkt durch. Erledige jeden Punkt. Mach dir eine Strichliste. Hast du alle Punkte durch und nicht erreicht, was du willst, dann verlaß die Party und geh zu einer anderen.“ (Amendt: Sexfront, S. 114)

 Hier wird bloß der bürgerliche Mief durch linke Technokratik abgelöst, aber keine wirkliche Alternative verdeutlicht. Vielleicht kann der moderne Mensch nicht anderes, aber er kann wissen, dass es mehr menschliche Möglichkeiten gibt, als den bürgerlichen Egoismus.

 

Die Triebstruktur der Befreiung

 Wie wenig hoffnungsvoll die gegenwärtige Lage im Verhältnis von Gefühl und Vernunft auch ist, dieser Essay soll nicht mit diesem Wirklichkeits-Pessimismus enden, ohne eine Alternative angedeutet zu haben.

 Bisher wurde von mir herausgearbeitet: Es gibt für den Menschen nichts Schöneres als seine Gefühle. Aber Gefühle abstrakt betrachtet sind ambivalent, sie tendieren zum Maßlosen, sodass sie ihre angestrebte Lust verfehlen. Gefühle ohne Schranken und Regeln zerstören ihr Subjekt (Masochismus) oder andere Menschen (Sadismus). In ungesicherten Zuständen, in Kriegen und Bürgerkriegen können Gefühle eine sozialpsychologische Grundlage sein für alle denkbaren Brutalitäten. Die ständige Unterdrückung der Gefühle aber oder ihre Sublimierung zu geistigen Produkten auf Grund der vorherrschenden Lohnarbeit deformiert das Gefühlsleben und die Triebstruktur. Durch das Unterdrücken verlieren wir unendliche Glücksmöglichkeiten. Man kann ohne eine authentische Befriedigung der Gefühle nur schlecht leben.

 Die Gefühle bedürfen deshalb nicht nur einer moralischen Leitung durch die Vernunft, sei es als sanfter Zwang durch das überzeugende Argument, sei es durch die mit Gewalt verbundene Schranke vernünftigen Rechts, sie müssen durch Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse aus ihrem repressiven Status befreit werden. Die bestehende kapitalistische Gesellschaft lässt kein befriedigendes Ausleben der Gefühle zu, sie regrediert das Gefühlsleben auf das oberflächliche Amüsement, die Waren geleitete Fremdbestimmung und zerstört die Liebesfähigkeit der Menschen. Dies individuell zu ändern, liegt kaum in der Macht des Einzelnen.

 Erst eine sozialistische Gesellschaft, die nach dem avancierten Stand der Vernunft entwickelt und so für alle durchsichtig wird, in der das Privatinteresse der Einzelnen mit dem Allgemeininteresse der Gesellschaft nicht mehr im Widerspruch steht und in der Wohlstand für alle Menschen besteht, erlaubt das Ausleben der Gefühle, soweit sie durch Vernunft legitimiert sind. Erst hierher gehört das Hegelwort, nach dem die Gefühle, wenn sie befriedigt werden, nicht mehr stören oder nicht mehr zum inneren Feind werden, mit dem man ständig kämpfen muss. Sozialismus wäre dann eine Gesellschaft, in der vernünftige Moral das mit Gewalt verbundene Recht immer mehr ablöst und die Adiaphora sozialverträglich ausgeweitet werden könnten (vgl. Gaßmann: Widerstand, S. 167 f.), um das Individuum und seine Gefühle mit der Struktur der Gesellschaft zu versöhnen.

 Zugleich erweitert eine solche Zukunftsgesellschaft je nach ihren ökonomischen Möglichkeiten die authentischen Glücksgüter und die Raffinesse des Gefühlslebens. Voraussetzung dafür wäre eine allmähliche Änderung unserer Triebstruktur. Als authentische wäre sie nicht etwas Exotisches in einer Welt der Entfremdung von unseren eigenen Gefühlen, sondern entspräche dann den neuen gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnissen, denen sie sich zwanglos einfügt. Oder genauer ausgedrückt: Eine neue der Vernunft nicht entgegenstehende Gefühlskultur wäre das Ziel, dem sich – neben der Befriedigung der vitalen Bedürfnisse – die neue Ökonomie und Gesellschaftsstruktur anzupassen hätte. Die Humanisierung der Gefühle ginge mit einer gewissen Naturalisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse einher.

 Unter dem Begriff der nicht-repressiven Sublimierung hat Herbert Marcuse die Triebstruktur der Zukunft in einer vernunftbestimmten Gesellschaft antizipiert. Dies setzt nichtentfremdete Arbeit als Basis dieser Gesellschaft voraus. Da diese Art der Arbeit aber heute nicht die Struktur der Gesellschaft bildet, ist jedes individuelle Ausleben der Gefühle bestenfalls partiell und nur in Nischen möglich. „Wo die repressive Sublimierung überwiegt und die Kultur bestimmt, muß sich die nicht-repressive Sublimierung im Widerspruch gegen die gesamte Sphäre sozialer Nützlichkeit äußern“. (Marcuse: Triebstruktur, S. 206)  Erst die radikale Änderung der ganzen Gesellschaftsstruktur mit ihrer Ökonomie schafft die Bedingungen, die unser Triebleben befreien kann.

 „Nur als soziales Phänomen kann die Libido den Weg der Selbst-Sublimierung nehmen: als ununterdrückte Kraft kann sie die Kulturbildung nur unter Bedingungen fördern, die zusammengehörige Individuen in der Kultivierung der Umwelt aneinander bindet, um wachsenden Bedürfnissen und Fähigkeiten gerecht zu werden. Die Reaktivierung polymorpher und narzißtischer Sexualität stellt keine Bedrohung der Kultur mehr dar und kann selber der Kulturentwicklung dienen, wenn der Organismus nicht als ein Instrument entfremdeter Arbeit existiert, sondern als ein Subjekt der Selbstrealisierung – mit anderen Worten, wenn sozial nützliche Arbeit gleichzeitig auch die echte Befriedigung eines individuellen Bedürfnisses darstellt.“ (A.a.O., S. 207)

 Erst jetzt kann das Lustprinzip sich wirklich realisieren – wenn auch in den Schranken vernünftiger Moral, seine Unterdrückung wäre sogar kontraproduktiv. „Der biologische Trieb wird zum kulturellen Antrieb. Das Lustprinzip läßt eine eigene Dialektik erkennen. Das erotische Ziel, den gesamten Körper als Subjekt-Objekt der Lust beizubehalten, verlangt nach fortgesetzter Empfänglichkeit, nach Zunahme seiner Sinnlichkeit.“ (A.a.O., S. 209)  Statt entfremdeter Arbeit schafft der Mensch ein Werk, in dem die Tätigkeit der Herstellung selbst zum lustvollen Zweck wird. Dagegen hatte allerdings der späte Marx eingewandt, dass Arbeit immer, also auch in einer sozialistischen Gesellschaft, ein Reich der Notwendigkeit bleiben wird, jenseits dessen erst die menschlichen Kräfte Selbstzweck sein können. Bedenkt man allerdings die sich heute andeutenden Möglichkeiten automatischer Produktion, dann kann sich die eigentliche Arbeit auf kreative Tätigkeiten verlagern, die nach dem Lustprinzip funktionieren können.

 Auch die Moral wird einem Wandel erfahren müssen. Sie wäre nicht mehr die Moral der entfremdeten Arbeit und damit der innere Feind des Lustprinzips. Wenn eine solche Gesellschaft eingespielt wäre, wenn Spiel und Arbeit fließend ineinander übergehen, dann würden die Menschen wie selbstverständlich im anderen nicht mehr den Konkurrenten sehen, nicht ein fremdes Objekt und Mittel für die eigenen Bedürfnissen, sondern ein Individuum mit eigenen Zwecken und Wünschen, die sich lustvoll mit den eigenen mal verbinden mal spielerisch voneinander lösen. Der kantische Imperativ wäre kein Imperativ mehr, dessen Erfüllung Anstrengung erforderte, sondern selbstverständlich gelebte Wirklichkeit. Doch auch hier muss eine Einschränkung gemacht werden. Moral als sanfter Zwang der Vernunft lässt sich nicht abschaffen. Sie muss zumindest als Regel in der Erinnerung bestehen bleiben, soll nicht die Moralität, der Zustand realisierter Moral, in neue Formen der Repression umschlagen. Die menschliche Individualität kann nicht nur durch Vernunft bestimmt sein, sondern enthält immer auch ein Undefinierbares und Unbewusstes, das auch zum Widersacher der anderen werden kann. Im Konfliktfall muss der Imperativ wieder in Aktion treten.

 Überhaupt wäre eine solche Zukunftsgesellschaft kein kultureller Rückschritt, sondern die Fortentwicklung und Befreiung der bisher angehäuften Kulturgüter. Auch die Vernunft, die heute von der Sinnlichkeit getrennt sein muss, wenn letztere den entfremdeten Bedingungen durch das Realitätsprinzip unterworfen ist, denn sonst könnte man die Entfremdung nicht begreifen, wird sich dann verändern. „Ist die feindlich Trennung des körperlichen vom geistigen Teil des Organismus selbst ein historisches Ergebnis der Unterdrückung und Verdrängung, dann wird die Überwindung dieses Gegensatzes die geistige Sphäre für die Impulse öffnen. Die ästhetische Idee einer 'sinnlichen Vernunft'  läßt an solch eine Tendenz denken. Sie unterscheidet sich wesentlich von der Sublimierung, insofern die geistige Sphäre zum 'direkten' Ziel des Eros wird und ein libidinöses Objekt bleibt“. (A.a.O., S. 207 f.)

 Herbert Marcuse hat gefordert, diese neue Triebstruktur schon in der bestehenden Gesellschaft zu entwickeln als ein revolutionäres Moment einer freiheitlichen Bewegung. Diese Ansicht hat im Extremfall dazu geführt, dass man für das Neue demonstrierte, dann Spaß an dem Demonstrieren fand und schließlich demonstrierte, um Spaß zu haben – bis die Lust daran verging und man gar nicht mehr demonstrierte. Ich dagegen nehme eher an, eine neue Triebstruktur, auch wenn Elemente davon bereits in der Gegenwart vorweggenommen werden können, bildet sich erst massenhaft heraus, wenn neue gesellschaftliche Strukturen vorhanden sind. Hinter dieser Auffassung steht die Erfahrung, dass die Triebstruktur eher konservativ ist, eher den Verhältnissen hinterher hinkt, als dass sie vorauseilt. (Vgl. Fromm, als er noch nicht affirmativ argumentierte: Charakterologie, S. 276)

 Unabhängig von dieser Problematik hat Marcuse recht, wenn er eine neue Triebstruktur antizipiert (solange er sie nicht konkretistisch auspinselt) – die Ausführung und Modifikation dieser Antizipation ist unseren Nachfahren zu überlassen. Dennoch kommt eine revolutionierende Veränderung nicht ohne Gefühle aus, die sich alternativ von den vorherrschenden, die an Herrschaft gebunden sind, abheben.

 „Faschismus und Militarismus haben eine tödlich wirksame Solidarität hervorgebracht. Sozialistische Solidarität ist Autonomie; Selbstbestimmung beginnt zu Hause – und das gilt für jedes Ich und das Wir, welches das Ich sich wählt. Und dieser Zweck muß in der Tat in den Mitteln seiner Verwirklichung erscheinen, das heißt in der Strategie derjenigen, die in der bestehenden Gesellschaft für die neue arbeiten. Wenn die sozialistischen Produktionsverhältnisse eine neue Lebensweise sein sollen, dann muß sich ihre existentielle Qualität – antizipierend und demonstrierend – im Kampf um ihre Verwirklichung offenbaren. Ausbeutung in allen ihren Formen muß aus diesem Kampf verschwunden sein: aus den Arbeitsverhältnissen der Kämpfer wie aus ihren individuellen Verhältnissen. Verständnis, Offenheit im Umgang miteinander, das instinktive Innewerden dessen, was schlecht, falsch, Erbe der Unterdrückung ist, würden dann den authentischen Charakter der Rebellion bezeugen. Kurz, die ökonomischen, politischen und kulturellen Züge einer klassenlosen Gesellschaft müssen die Grundbedürfnisse derer geworden sein, die um sie kämpfen. Dieser Einbruch der Zukunft in die Gegenwart, diese Tiefendimension der Rebellion erklärt letztlich ihre Unvereinbarkeit mit den traditionellen Formen des politischen Kampfes. Der neue Radikalismus widersetzt sich ebenso der zentralisierten bürokratisch-kommunistischen Organisation wie der halbdemokratischen liberalen. Ein starkes Element der Spontaneität, ja des Anarchismus ist in dieser Rebellion enthalten. Es drückt die neue Sensibilität, die Reizbarkeit gegenüber Herrschaft aus: das Gefühl und das Bewußtsein, daß die Freude an der Freiheit und das Bedürfnis, frei zu sein, der Befreiung vorangehen müssen.“ (Marcuse: Befreiung, S. 129 f.)

 Gefühl und Vernunft können immer nur zusammen gedacht werden. Die Vernunft leitet das Gefühl und setzt ihm dauerhafte Ziele, das Gefühl, in diesem Streben nach Veränderung eingeübt, ist ein mächtiger Antrieb, der den Willen unterstützt, die vernünftig bestimmten Ziele durchzusetzen. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen aber bleibt die Beziehung von Gefühl und Vernunft problematisch, Glück ist bestenfalls nur als provisorisches möglich. Die Utopie, und sei sie noch so konkret und wünschenswert, bleibt solange, bis sie verwirklicht ist, ein Niemandsland. Sie geht aber als Maßstab der Kritik und als Zweck in die Mittel ihrer Verwirklichung ein. Ein so verstandenes Verhältnis von Vernunft und Gefühl in der Gegenwart zeigt sich nur im Kampf für eine bessere Welt. Wir haben nur die Alternative, das Bestehende so zu lassen wie es ist – dann bleibt unser Gefühlsleben gegenüber seinen Möglichkeiten reduziert, ist tendenziell mit Entfremdung und mit Brutalisierung bedroht, oder wir versuchen das heute größtmögliche Glück zu erreichen, das nur im Kampf gegen den gegenwärtigen Zustand erreichbar ist, der unsere Vernunft beleidigt und sinnliches Glück verhindert.

 Der Ich-Erzähler aus Jorge Sempruns Roman „Die große Reise“, ein spanischer Widerstandskämpfer, der das Konzentrationslager Buchenwald überlebt hat, schildert dieses Glück im Kampf so: „Ich denke, daß ich noch nie, bis jetzt noch nie, etwas mit einem Seitenblick auf das Glück oder Unglück, das mir daraus erwachsen könnte, unternommen oder beschlossen habe. Ich muß sogar lachen bei dem Gedanken, daß mich jemand fragen könnte, ob ich an das Glück gedacht habe, das dieser oder jener Entschluß mir bringen könnte, als sei irgendwo ein Vorrat an Glück, eine Art Glückskonto vorhanden, von dem man Glück abheben kann, als sei das Glück nicht im Gegenteil etwas, was sich oft mitten in der größten Verzweiflung, mitten in der brennendsten Not einstellt, nachdem man getan hat, was man (seiner Vernunft nach, BG) zu tun gezwungen war.“ (Zitiert nach: Gaßmann: Ethik des Widerstandes, S. 87) Gewiss wird diese Art des provisorischen Glücks nicht das letzte Wort sein, aber es ist vielleicht zur Zeit das einzige, bei dem Vernunft und Gefühl in Übereinstimmung sind.

 

Literatur

 Amendt, Günter (1978) (Sexfront): Sexfront. Überarbeitete Ausgabe, Ffm.

 Aristoteles (1985) (Ethik): Nikomachische Ethik. Auf der Grundlage der Übersetzung von Eugen Rolfes herausgegeben von Günther Bien, Hamburg.

 Freud, Sigmund (1972) (Unbehagen): Abriß der Psychoanalyse. Das Unbehagen in der Kultur, Ffm.

 Fromm, Erich (1932) (Charaktereologie): Die psychoanalytische Charaktereologie und ihre Bedeutung für die Sozialpsychologie, in: Zeitschrift für Sozialforschung. Hrsg. v. Max Horkheimer. Jg. 1. dtv reprint. München 1980.

 Fromm, Erich (1935) (Therapie): Die gesellschaftliche Bedingtheit der psychoanalytischen Therapie, in: Zeitschrift für Sozialforschung. Hrsg. v. Max Horkheimer. Jg. 4. dtv reprint. München 1980.

 Fromm, Erich ( 2001) (Lieben): Die Kunst des Liebens. Aus d. Amerikanischen v. Liselotte und Ernst Mickel, München.

 Gaßmann, Bodo (2001) (Widerstand): Ethik des Widerstandes. Abriß einer materialistischen Moralphilosophie. Erinnyen Nr. 10 – 14, Garbsen.

 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1970) (Naturrecht): Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, seine Stelle in der praktischen Philosophie und sein Verhältnis zu den positiven Rechtswissenschaften, in: Ders.: Werke Bd. 2, Ffm.

 Horkheimer, Max (1935) (Anthropologie): Bemerkungen zur philosophischen Anthropologie, in: Zeitschrift für Sozialforschung. Hrsg. v. Max Horkheimer. Jg. 4. dtv reprint. München 1980.

 Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W. (1973) (Aufklärung): Dialektik der Aufklärung, Ffm.

 Kant, Immanuel (1975) (Logik): Logik, in: Ders.: Werke in zehn Bänden, Bd. 5. Hrsg. v. W. Weischedel, Darmstadt.  

  Kant, Immanuel (1984) (Hinsicht): Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, in: Ders.: Werke in zehn Bänden, Bd. 10. Hrsg. v. W. Weischedel, Darmstadt.

 La Mettrie, Julien Offray de (1987) (Wollust): Die Kunst, Wollust zu empfinden. Hrsg. u. eingl. v. Bernd A. Laska, Nürnberg.

 La Mettrie, Julien Offray de (1985) (Antiseneca): Über das Glück oder das Höchste Gut („Anti-Seneca“). Hrsg. u. eingl. v. Bernd A. Laska, Nürnberg.

 Marcuse, Herbert (1972) (Befreiung): Versuch über die Befreiung, Ffm.

 Marcuse, Herbert (1978) (Triebstruktur): Triebstruktur und Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud, Ffm.

 Mensching, Günther (1971) (Autonomie): Totalität und Autonomie. Untersuchungen zur philosophischen Gesellschaftstheorie des französischen Materialismus, Ffm.

 Plack, Arno (Hrsg.) (1973) (Mythos): Der Mythos vom Aggressionstrieb, München.

 de Sade, Donatien Alphonse Francois (1972) (Juliette): Die Geschichte der Juliette, in: ders.: Ausgewählte Werke Bd. 5, Hamburg.

 Weizenbaum, Josef (1977) (Computer): Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft. Übersetzt von Udo Rennert, Ffm.

 Ziehe, Thomas (1978) (Pubertät): Pubertät und Narzißmus. Sind Jugendliche entpolitisiert? Mit einem Vorwort von Regina Becker-Schmidt, Ffm. und Köln.